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Diskusprolaps (K)eine Scheibe abschneiden

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Am häufigsten treten Bandscheibenvorfälle an L4/L5 auf. Die MRT einer 27-jährigen Turnerin zeigt zudem alte Frakturen. Am häufigsten treten Bandscheibenvorfälle an L4/L5 auf. Die MRT einer 27-jährigen Turnerin zeigt zudem alte Frakturen. © Science Photo Library - Zephyr
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Ein Bandscheibenvorfall lässt sich in der Regel mit Schmerzmitteln und Physiotherapie behandeln. Voraussetzung ist aber das Fehlen von Warnzeichen. Ansonsten kann es sein, dass der Patient noch am selben Tag operiert werden muss.

Berichtet ein Patient von plötzlich aufgetretenen, brennenden oder stechenden Rückenschmerzen, die in ein oder beide Bein(e) ausstrahlen, handelt es sich womöglich um einen Bandscheibenvorfall. Am wahrscheinlichsten prolabiert der Gallertkern zwischen dem vierten und fünften oder dem fünften Lendenwirbelkörper und dem Os sacrum, schreiben Dr. Marcus Rickert vom Medizinischen Versorgungszentrum Seligenstadt und Dr. Steffen Schulz vom Artemed Sankt-Josef-Krankenhaus in Heidelberg. Bei Beschwerden vor allem in den lateralen Unterschenkeln, den medialen Fußrücken und im großen Zeh ist am ehesten die Nervenwurzel L5 eingequetscht. Schmerzen hingegen die Unterschenkelrückseite, die Ferse, der Fußaußenrand und die dritte bis fünfte Zehe, spricht das für eine Reizung von S1. 

Die körperliche Untersuchung kann den Verdacht auf einen Diskusprolaps bestätigen, wenn das Lasègue-Zeichen positiv ausfällt und entweder der Tibialis-posterior-Reflex (L5) oder der Achillessehnenreflex (S1) abgeschwächt ist. Bei folgender Konstellation sollte man den Patienten zügigst an ein neurochirurgisches oder orthopädisches Zentrum überweisen: verminderte Sensibilität im Genital- und Gesäßbereich sowie an den Oberschenkelinnenseiten, schlaffe Parese der jeweiligen Kennmuskeln (M. extensor hallucis longus bei L5, M. triceps surae bei S1) und gestörte Miktion und/oder Defäkation. Denn in diesem Fall liegt höchstwahrscheinlich ein Cauda-equina-Syndrom vor, bei dem Fasern der Rückenmarksegmente unterhalb des Conus medullaris betroffen sind. Wird der Patient nicht innerhalb von 24 Stunden operiert, können bleibende neurologische Ausfälle resultieren. 

Red flags bei Rückenschmerzen
WarnzeichenMögliche Ursache
schwerer Unfall (Auto, Sturz aus großer Höhe)Fraktur
Fieber, Schüttelfrost, B-SymptomatikInfektion
bekannte KrebserkrankungWirbelsäulenmetastasen
jüngerer Patient mit > 12 Wochen bestehenden Beschwerdenaxiale Spondyloarthritis

Zu achten ist außerdem auf Warnzeichen für spezifische Rückenschmerzen, die mit einem bildgebenden Verfahren geklärt und entsprechend der Ursache behandelt werden müssen (s. Tabelle). Besteht weiterhin der Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall, folgt routinemäßig eine Röntgenaufnahme der betroffenen Wirbelsäulenregion, die indirekte Hinweise auf einen aus der Form geratenen Diskus liefern kann:

  • Höhenminderung eines Zwischenwirbelraums
  • Osteophyten an den Wirbelkörpern
  • Fehlstellung der betroffenen Segmente oder völlig aufgehobene Lendenlordose

Die optimale Methode zur Diagnose eines Bandscheibenvorfalls ist jedoch die MRT. Aber Achtung: Nicht jeder darin erkennbare Befund hat Krankheitswert, Symptome und Bildgebung müssen zusammenpassen.

Bettruhe fördert Schmerzchronifizierung

Ist die Diagnose Diskusprolaps gesichert, reicht bei den meisten Patienten eine konservative Therapie aus. Dazu gehört ausdrücklich keine Bettruhe, denn sie fördert eine Chronifizierung der Schmerzen. Hilfreich dagegen sind vor allem Physiotherapie und Rückenschule. Um wirksam mitarbeiten zu können, muss der Patient schmerzfrei sein. Das erreicht man mit einem Analgetikum, am ehesten mit einem nicht-steroidalen Antirheumatikum.

Bleibt nach zwei bis vier Monaten der Therapieerfolg aus, sollten Sie mit dem Patienten über eine Operation sprechen. Der Eingriff erfolgt entweder offen oder endoskopisch. Nach einer aggressiven Nukleotomie ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Patient ein Rezidiv erleidet. Deshalb empfiehlt es sich, mikrochirurgisch nur das Gewebe zu entfernen, das auf den Nerv drückt (Sequestrektomie). Bei der minimalinvasiven Methode wird weniger Gewebe geschädigt als beim offenen Eingriff, sodass der Patient nach der OP schneller wieder auf die Beine kommt. Allerdings eignet sich das endoskopische Verfahren nicht für jeden.

Quelle: Schulz S, Rickert M. Orthopädie & Rheuma 2024; 27: 44-50; DOI: 10.1007/s15002-023-4751-y