
giftiger Hautkontakt Nur gucken, nicht anfassen!

Die Gefahren, Symptome und die Behandlung von transkutanen Vergiftungen durch toxische Pflanzen unserer Breiten sollten insbesondere Dermatologen bekannt und geläufig sein“, betonte Dr. Andreas Montag, niedergelassener Dermatologe in Hamburg. Pflanzen befinden sich als Auslöser von Intoxikationen in Deutschland auf Rang 3 (15 %), direkt hinter Medikamenten (32 %) und Chemikalien (24 %). Pilzvergiftungen sind um den Faktor zehn seltener.
„Wenn ein Patient oder eine Patienin wegen eines Kontakts mit toxischen Pflanzen in die Praxis kommt, war dieser in der Regel länger und intensiv“, so der Referent. Ob sich die Vergiftung auf die Haut beschränkt oder es systemische Reaktionen gibt, hänge von Dosis, Einwirkzeit, Wirkstärke, Resorbierbarkeit und Verstoffwechselung ab. Ein wichtiger Faktor sei aber auch die Beschaffenheit der Haut.
Einige Pflanzengifte sind so stark, dass sie bereits über die transkutane Aufnahme klinisch manifeste Vergiftungserscheinungen im menschlichen Organismus erzeugen können. Die sechs wichtigsten Pflanzen in Mitteleuropa sind:
- Blauer Eisenhut
- Schwarze Tollkirsche
- Engelstrompete
- Gefleckter Schierling
- Gemeiner Stechapfel
- Weißer Germer
Blauer Eisenhut
Der Blaue Eisenhut (Aconitum napellus) gilt als die giftigste Pflanze Mitteleuropas. Ein längerer Hautkontakt genügt, um sich mit dem Diterpenalkaloid Aconitin zu vergiften. Beim Blauen Eisenhut sind alle Pflanzenteile inkl. Samen und Wurzeln giftig. Auch ein Wühlen in der pflanzennahen Erde kann somit zur Vergiftung führen, betonte Dr. Montag. Aconitin verlangsamt die Inaktivierung der spannungsabhängigen Natriumkanäle. Auf motorische und sensible Nerven wirkt es zunächst erregend, dann lähmend. Als Folge kommt es zu Arrythmie, Bradykardie und ab einer Dosis von 2 mg zum diastolischen Herzstillstand.
„Die anticholinerge Behandlung einer transkutanen Vergiftung erfolgt mit Atropin. Novocain hemmt die durch Aconitin ausgelösten kardialen Fibrillationen“, sagte Dr. Montag. Die Gabe von Atropin (1–2 mg i. v. oder i. m.) kann ggf. alle ein bis vier Stunden wiederholt werden, Novocain (0,1 %, 50 ml) gibt man langsam per Infusion.
Schwarze Tollkirsche
Die Tropanalkaloide (L-Hyoscyamin, Atropin, Scopolamin) von Nachtschattengewächsen wie der Schwarzen Tollkirsche (Atropa belladonna) führen zum sogenannten anticholinergen Syndrom. Dieses äußert sich u. a. durch Flush, trockene Haut, Mydriasis, Mundtrockenheit, Tachykardie, Halluzinationen und Hyperthermie. „Das besondere Merkmal einer Tollkirschenvergiftung aber ist die psychomotorische Erregung“, hob Dr. Montag hervor. Transkutane Vergiftungen werden mit dem Cholinesterasehemmer Physostigmin (1–2 mg i. v., Kinder maximal 0,5 mg) behandelt. Betroffene können zudem physikalisch gekühlt werden (keine Antipyretika!) und ggf. Benzodiazepine erhalten.
Engelstrompete
Das therapeutische Vorgehen bei transkutanen Intoxikationen mit Engelstrompete (Brugmansia sp.) ist dem bei Tollkirschenvergiftungen ähnlich, da es sich ebenfalls um ein Nachtschattengewächs handelt. Die Giftkomponenten und damit die Symptome sind nahezu identisch. „Anders als bei der Tollkirsche führt die Vergiftung mit Engelstrompete aber nicht zur Erregung, sondern zur Dämpfung“, erläuterte der Referent.
Gefleckter Schierling
Das Coniin des Gefleckten Schierlings (Conium maculatum) wirkt zentral und peripher neurotoxisch. Transkutane Vergiftungen äußern sich u. a. mit starkem Speichelfluss, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall sowie mit Atemlähmung.
Das bekannteste Opfer einer– allerdings oralen– Coniin vergiftung ist wohl Sokrates, dessen Todesurteil in der Antike durch Trinken des Schierlingsbechers vollstreckt wurde. In dem Getränk dürften ca. 500 mg des Amins enthalten gewesen sein. Diese Dosis führt innerhalb von 30–60 min zur letalen Lähmung der Atemhilfsmuskulatur, der Tod tritt bei vollem Bewusstsein ein. Im Vergiftungsfall steht die symptomatische Behandlung im Vordergrund. „Bei ersten Lähmungszeichen der Atemhilfsmuskulatur ist eine künstliche Beatmung unvermeidlich.“ Versagen die Nieren, muss die Patientin oder der Patient zur Dialyse.
Gemeiner Stechapfel
Die transkutane Vergiftung mit dem Gemeinen Stechapfel (Datura stramonium) – auch er ein Nachtschattengewächs – erfolgt über die bereits erwähnten Tropanalkaloide. Die Symptome sind ähnlich der Intoxikation mit Tollkirsche inklusive der durch L-Hyoscyamin verursachten psychomotorischen Erregung. Die Behandlung erfolgt daher analog.
Weißer Germer
Der in Mitteleuropa heimische Weiße Germer (Veratum album) enthält Steroidalkaloide, die bei transkutaner Aufnahme zu starkem Erbrechen, Austrocknung, Bradykardie, Hypotonie und Hyperthermie führen können. „Der Tod ist nur nach Verzehr größerer Mengen zu erwarten“, sagte Dr. Montag. Bei Vergiftungen wird mit Anticholinergika (z. B. Atropin 0,5–1,0 mg alle zwei bis fünf Minuten bis zur max. Dosis von 0,04 mg/kg) und Antiarrhythmika (z. B. Lidocain) therapiert. Bei beginnender Atemlähmung werden die Betroffenen künstlich beatmet.
Nach oraler Aufnahme der genannten Giftpflanzen ist zudem eine Magenspülung mit Kaliumpermanganat (300–500 mg) oder Tannin (1.000–1.200 mg) indiziert, jeweils in 1–2 l Wasser. Die Therapie kann mit medizinischer Kohle ergänzt werden.
Quelle: Kongressbericht Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft 2025
Mehr Infos zu Giftpflanzen
Detaillierte Informationen zu einzelnen Giftpflanzen erhält man beispielsweise über die Internetseite des Giftinformationszentrums in Erfurt (GGIZ) www.ggiz-erfurt.de/pflanzen.html