Anzeige

Antihypertensiva Offenbar doch keine Unterschiede zwischen abendlicher und morgendlicher Therapie

Autor: Manuela Arand

Die Einnahmezeit von Antihypertensiva beeinflusst deren Nebenwirkungsprofil nicht. Die Einnahmezeit von Antihypertensiva beeinflusst deren Nebenwirkungsprofil nicht. © MP2- stock.adobe.com
Anzeige

Die schlechte Nachricht zuerst: Das kardiovaskuläre Risiko sinkt nicht stärker, wenn Patienten mit Bluthochdruck ihre Antihypertensiva abends schlucken. Die gute Nachricht: Es steigt auch nicht, sodass man die Einnahmezeit bedingt den Betroffenen überlassen kann.

Sollten Patienten ihre Antihypertensiva besser morgens oder abends einnehmen? Über diese Frage wird seit der Veröffentlichung der MAPEC-Studie im Jahr 2010 intensiv diskutiert. Denn in der Untersuchung punktete die abendliche Einnahme gegenüber der Standardempfehlung. Etwa 2.150 Hypertoniker hatten acht Jahre lang prospektiv Daten eingespeist, was zusammen 12.000 Patientenjahre ergab.

In der „Abendgruppe“ traten bei deutlich besserer Blutdruckkontrolle signifikant weniger kardiovaskuläre Ereignisse auf (absolut 68 versus 187 Ereignisse, Hazard Ratio 0,39). Vor dem Hintergrund, dass die nächtlichen Blutdruckwerte – Stichwort Dipper und Non-Dipper – das Risiko maßgeblich beeinflussen, macht dieses Ergebnis Sinn. Allerdings fielen die Unterschiede so groß aus, dass Skepsis angezeigt erschien.

Die TIME-Studie (Treatment in the Morning versus Evening) sollte eigentlich nur letzte Zweifel ausräumen, um die neue Strategie final zu etablieren. Es wäre der kosteneffektivste Therapiebenefit aller Zeiten, „Tabletten einfach abends statt morgens zu nehmen“, sagte Prof. Dr. Thomas McDonald, University of Dundee, als er die Resultate vorstellte.

Eine Besonderheit der Studie ist nicht nur, dass sie weitgehend im Internet stattfand, sondern auch, dass Teilnehmer und Angehörige die Endpunkte selbst meldeten und diese anschließend anhand von Patientenakten verifiziert und verblindet beurteilt wurden. Mehr als 21.000 Hypertoniepatienten waren über ein Onlineportal eingeschlossen, randomisiert und median 5,2 Jahre lang betreut worden. Die Morgengruppe schluckte ihre Pillen zwischen 6 und 10 Uhr, die Abendgruppe zwischen 20 Uhr und Mitternacht. Nur wenige stiegen vorzeitig aus, allerdings vergaßen vor allem in der Abendgruppe Patienten immer mal wieder die Einnahme.

Insgesamt kamen 752 Erstereignisse zusammen (Herzinfarkt, Schlaganfall, vaskulärer Tod). Zwischen den Gruppen bestand absolut kein Unterschied, die Kurven verliefen praktisch deckungsgleich. Alle sekundären Endpunkte und alle Subgruppenanalysen zeigten dasselbe Bild, auch wenn Raucher mit der Morgeneinnahme etwas besser zu fahren schienen. Es gab aber nur so wenige von ihnen, dass die Diskrepanz laut Prof. McDonald eher dem Zufall geschuldet war.

Selbst Diabetiker, unter denen es viele Non-Dipper gibt, profitierten nicht von der Abendeinnahme. Immerhin gab es auch keine Sicherheitsprobleme bei abendlicher Gabe (z.B. vermehrt nächtliche Stürze oder Frakturen). Prof. McDonalds Fazit: „Patienten können ihre Antihypertensiva nehmen, wenn es am besten in ihren Tagesablauf passt.“ Allerdings sollten sie sich für einen Zeitpunkt entscheiden und nicht von Tag zu Tag wechseln. Ob einzelne Patientengruppen von der Abendeinnahme profitieren, beantwortet TIME nicht.

Was die Studie aber zeigte: Auch Antihypertensiva zur Einmalgabe wirken nicht 24 Stunden lang. Die Abendgruppe hatte morgens etwas niedrigere und abends etwas höhere Drücke als die Morgengruppe. Der Unterschied war nicht sehr groß, unter 2 mmHg systolisch. Dennoch: „Das ist ein Weckruf an die Pharmaindustrie, sie muss da etwas tun“, befand Prof. McDonald. 

Kongressbericht: ESC* Congress 2022

* European Society of Cardiology