Knochendichte & Frakturrisiko im Fokus Osteopenie: Wann ist eine Therapie wirklich nötig?

Autor: Dr. Andrea Wülker

Osteopenie betrifft Millionen, doch eine Behandlung ist nicht immer Pflicht. Osteopenie betrifft Millionen, doch eine Behandlung ist nicht immer Pflicht. © vitanovski - stock.adobe.com (Generiert mit KI)

Osteopenie betrifft Millionen, doch eine Behandlung ist nicht immer Pflicht. Entscheidend ist das individuelle Frakturrisiko – Tools wie der FRAX helfen bei der Einschätzung.

Eine Osteopenie ist per se keine Erkrankung, sondern ein Befund der Knochendichtemessung. Nach wie vor ist unklar, ab wann man medikamentös intervenieren sollte. Helfen kann die Bestimmung des klinischen Frakturrisikos.

Eine verminderte Knochendichte ist ein häufiges Phänomen. Großen Untersuchungen zufolge liegt die globale Prävalenz der Osteopenie bei rund 40 %, die der Osteoporose bei ca. 20 %, schreibt ein Wissenschaftlerteam um Dr. Ernest Suresh vom Ng Teng Fong General Hospital in Singapur. Im Vergleich zu Personen mit normaler Knochendichte haben diejenigen mit Osteopenie oder Osteoporose ein erhöhtes Risiko für spontane Wirbelbrüche und Fragilitätsfrakturen. Brüche an Hüfte, Wirbelsäule, proximalem Humerus und handgelenksnahem Unterarm werden kollektiv als osteoporosetypische Frakturen (major osteoporotic fractures, MOF) bezeichnet.

Entscheidung nicht allein vom T-Score abhängig machen
T-Score-basierte Kategorien für die Osteoporose und Osteopenie sind zwar für epidemiologische Untersuchungen hilfreich, entsprechen jedoch nicht den derzeit gültigen Interventionsschwellen, betont das Autorenteam um PD Dr. Stefan Pilz von der Medizinischen Universität Graz. Die Entscheidung für eine medikamentöse Osteoporosetherapie sollte nicht allein auf einem T-Score ≤ -2,5 als Behandlungsindikation beruhen, sondern auch auf dem individuellen Frakturrisiko. 

Wie geht man nun am besten vor, wenn eine Knochendichtemessung mittels DXA (dual energy X-ray absorptiometry) einen T-Score im Osteopeniebereich (siehe Kasten) ergibt? Zunächst empfiehlt sich eine sorgfältige Anamnese, die u. a. Folgendes erfasst:

  • vorausgegangene Fragilitätsfrakturen
  • Einbußen an Körpergröße aufgrund von Wirbelfrakturen
  • Erkrankungen, die mit einem Knochendichteverlust einhergehen können (Diabetes, Hyperthyreose, rheumatoide Arthritis etc.)
  • potenziell riskante Medikamenteneinnahme (Glukokortikoide, Aromataseinhibitoren, Antiandrogene, Heparin)

Die Zehn-Jahres-Wahrscheinlichkeiten für osteroporosetypische Frakturen lässt sich mithilfe von bestimmten Tools wie dem FRAX (fracture risk assessment tool) einschätzen, wobei klinische Faktoren herangezogen werden (Alter, frühere Frakturen etc.). Gemäß Osteoporoseleitlinien liegt eine häufig angewandte Interventionsschwelle bei einem Zehn-Jahres-Risiko von 20 % für MOF und 3 % für Hüftfrakturen. Sie kann allerdings je nach Alter und Land variieren.

Wichtig zu wissen ist, dass die Wirksamkeit von Medikamenten zum Schutz vor Frakturen nicht von der initialen Knochenmineraldichte (bone mineral density, BMD) abhängt. Therapieentscheidungen sollten nicht anhand der diagnostischen BMD-Kategorie getroffen werden, sondern anhand der Interventionsschwellenwerte, die auf dem Frakturrisiko basieren. Da die Osteopenie etwa 50 % der postmenopausalen Frauen und älteren Männer betrifft, treten zahlenmäßig die meisten Fragilitätsfrakturen in dieser Population auf. Doch variiert das Frakturrisiko bei Menschen mit Osteopenie sehr stark: Es kann extrem gering bis sehr hoch sein.

Osteopenie oder Osteoporose?

1994 definierte die WHO die „operationale Diagnose einer Osteoporose“ mit einem T-Score von ≤ -2,5. Eine Osteopenie (geringe Knochenmasse) liegt laut WHO bei einem T-Score zwischen -1,0 und -2,5 vor.

Diese diagnostischen Schwellenwerte auf Basis des T-Scores haben sich jahrzehntelang gehalten, obwohl es in der Zwischenzeit deutliche Fortschritte im individualisierten Assessment des osteoporotischen Frakturrisikos gab.

„Klinische Osteoporose“ soll Versorgungslücke schließen

Derzeit besteht eine gewisse Versorgungslücke. Denn die meisten Patientinnen und Patienten mit Osteopenie, bei denen eine Pharmakotherapie aufgrund des klinischen Frakturrisikos (z. B. nach einer Fragilitätsfraktur an Hüfte oder Wirbelsäule) angezeigt ist, erhalten keine Medikamente. Um dieses Problem zu adressieren, wurde der Begriff „klinische Osteoporose“ eingeführt.

Diese Diagnose kann zum einen bei Personen gestellt werden, die bereits eine Fragilitätsfraktur an Hüfte oder Wirbelsäule erlitten haben. Zum anderen trifft sie ggf. auch auf Menschen zu, deren Frakturrisiko oberhalb der jeweiligen Interventionsschwelle liegt. Dieser Ansatz wurde nur von einigen wenigen Osteoporoseleitlinien aufgegriffen, doch scheint er geeignet, um die therapeutische Lücke zu reduzieren. Allerdings gibt es nach wie vor wissenschaftliche Diskussionen über die am besten geeigneten Cut-off-Werte für eine Intervention.

Einige Fachleute halten es für sinnvoll, die Vor- und Nachteile einer medikamentösen Therapie mit Osteopenie-Patientinnen und -Patienten zu diskutieren, deren Risiko für eine MOF etwa 10–15 % beträgt. Dieses Vorgehen wird aber noch nicht von Leitlinien gestützt. Auf Lebensstilmaßnahmen, die die Knochengesundheit fördern, sollte man derweil immer verweisen. Wichtig ist die Kommunikation mit den Betroffenen, um eine gemeinsame Entscheidungsfindung zu ermöglichen und individuelle Präferenzen zu berücksichtigen.

Quelle: 1.Suresh E et al. BMJ 2025; 391: e085622; doi: 10.1136/bmj-2025-085622
2.Pilz S et al. BMJ 2025; 391: r2154; doi: 10.1136/bmj.r2154