Reinigungsmittel und Atemwegsgesundheit Putzmittel: Unsichtbare Gefahr für die Lunge
Der Verbrauch von Putzmitteln für Haushalt und Arbeitsplatz steigt – nach der Pandemie noch stärker als vorher. Doch viele der Reiniger enthalten ätzende, krebserregende, irritierende oder allergene Stoffe. Und längst nicht alle sind deklariert.
Die Liste der potenziell gesundheitsgefährdenden Stoffe in Reinigungsmitteln ist lang, berichtete Prof. Dr. Sara de Matteis von der Abteilung für Arbeits- und Umweltmedizin der Universität Turin. Allergieauslösend können unter anderem quartäre Ammoniumsalze, Amine (v. a. Chloramin T), Glutaraldehyd, Duftstoffe und Enzyme sein, die in Putz- und Raumpflegemitteln enthalten sind. Eher irritativ wirken Chlorverbindungen, Aceton oder Alkohole. Auch neurogene Mechanismen, beispielsweise durch die Aktivierung von TRP*-Kanälen in afferenten Nervenendigungen der Atemwege durch Hypochlorit, werden postuliert.
Das Risiko einzelner Produkte zu bewerten, ist schwierig, erläuterte Prof. de Matteis. In Sicherheitsdatenblättern und auf dem Etikett müssen nur Bestandteile aufgelistet werden, die eine Konzentration von mehr als 1 % erreichen. Zudem unterliegen manche Inhaltsstoffe und Formulierungen dem Herstellergeheimnis, auch ändert sich die Zusammensetzung der Putzmittel ständig. Grenzwerte für einzelne Stoffe gibt es nicht.
Es sind nicht nur die volatilen Substanzen aus den Putzmitteln, die eine Gefahr für die Lunge darstellen. Die Verwendung der Reinigungsprodukte erhöht auch die Partikelbelastung in der Raumluft. Diese Form der Innenraumluftbelastung hat zugenommen, weil immer mehr Sprühreiniger verwendet werden. Die Konzentration von ultrafeinen Partikeln (UFP) kann bei Verwendung von Reinigungssprays ähnlich hoch sein wie beim Passivrauchen, berichtete Prof. de Matteis. UFP gelangen besonders leicht in die kleinen Atemwege und entwickeln auch systemische Effekte.
Aufgrund der hohen Exposition ist die Gefahr für professionelle Reinigungskräfte besonders hoch. Nach einer Metaanalyse liegt das Risiko für asthmatische Symptome bei beruflicher Reinigungsmittelexposition um 50 % höher als in der Allgemeinbevölkerung. In einer Kohorte der UK-Biobank haben in der Industrie tätige Reinigungskräfte ein fast doppelt so hohes und in Haushalten arbeitende ein um 43 % erhöhtes COPD-Risiko im Vergleich zu Büroangestellten. Das COPD-Risiko erwies sich als unabhängig von vorbestehenden asthmatischen Symptomen oder Rauchen. Auch Desinfektionsmittel spielen eine Rolle. In der Nurses’ Health Study II wurde bei US-amerikanischen Krankenschwestern eine signifikante Assoziation zwischen derartigen Produkten und COPD gezeigt. Das galt explizit auch für den Umgang mit entsprechenden Sprays. Die Risikoerhöhung lag jeweils bei etwa 40 % gegenüber keiner beruflichen Exposition mit Desinfektionsmitteln.
Prof. de Matteis setzt sich für eine Anerkennung der Berufskrankheit Asthma beziehungsweise COPD bei professionellen Reinigungskräften ein. Sie forderte einen Verwendungsstopp beziehungsweise einen Ersatz der gefährlichsten Inhaltsstoffe und eine Expositionskontrolle. Hauptberuflich tätige Reinigungskräfte müssten über möglichst sichere Arbeitsweisen aufgeklärt werden. Zu oft würden Putzmittel nicht wie empfohlen verdünnt oder gegen die Sicherheitsvorschriften gemischt. Zum Schutz von vulnerablen Gruppen wie Kindern und alten Menschen sollten Grenzwerte für die Exposition etabliert werden. Einen Tipp hatte die Referentin noch parat: Zu Hause sollte man keine Sprühprodukte benutzen und stattdessen auf Omas Reinigungsmittel zurückgreifen.
* transient receptor potential