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SARS-CoV-2: Blutdrucksenker nicht einfach absetzen!

Autor: Dr. Andrea Wülker

Experten raten, Antihyper­tensiva während der Coronakrise weiter zu nehmen. Experten raten, Antihyper­tensiva während der Coronakrise weiter zu nehmen. © iStock/Floaria Bicher
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Im Zuge der aktuellen Coronapandemie kam schnell die Sorge auf, bestimmte Medikamente könnten die Gefahr für eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 oder für einen schweren COVID-19-Verlauf erhöhen. In einem Übersichtsartikel haben Experten vorliegende Erkenntnisse geprüft: Sie geben Entwarnung.

Da das ACE2(Angiotensin-converting enzyme 2)-Protein der Rezeptor ist, der den Eintritt von Coronaviren in die Zelle erleichtert, wurde und wird spekuliert, ob die Behandlung mit Hemmern des Renin-Angiotensin-Systems das Risiko erhöht, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren oder schwer an COVID-19 zu erkranken. Ein Forscherteam um Professor Dr. A. H. Jan Danser vom Erasmus Medical Center Rotterdam untersuchte, ob entsprechende Bedenken gerechtfertigt sind.

In der Lunge wird ACE2 in bestimmten Pneumozyten und Makrophagen exprimiert. Im Allgemeinen ist die Expression von ACE2 jedoch im Vergleich zu anderen Organen wie etwa Darm, Herz oder Nieren gering.

Wichtige Unterschiede zwischen ACE und ACE2

ACE2 ist in seiner vollen Länge ein membrangebundenes Enzym, während die kürzere, lösliche Form in niedriger Konzentration im Blut zirkuliert. Im Gegensatz zu ACE (Angiotensin-converting enzyme) führt ACE2 nicht zur Umwandlung von Angiotensin I in Angiotensin II. Aber ACE2 konvertiert das vasokonstriktorisch wirkende Angiotensin II in Angiotensin (1–7), das organprotektive Eigenschaften hat. Und: ACE-Hemmer blockieren die Aktivität von ACE2 nicht, da ACE und ACE2 unterschiedliche ­Enzyme sind.

Aus Versuchen im Tiermodell gibt es Hinweise, dass Angiotensin-Rezeptorblocker (ARB) in hohen Dosen das mem­brangebundene ACE2 hochregulieren können, was für ACE-Hemmer nicht zuzutreffen scheint. Die bisherigen Daten sind jedoch widersprüchlich und sie unterscheiden sich je nach untersuchten Angiotensin-Rezeptorblockern und nach Gewebe (Herz versus Niere).

Selbst wenn die in Tierstudien beobachtete Hochregulierung von ACE2 durch – im Allgemeinen – hoch dosierte Angiotensin-Rezeptorblocker auf Menschen extrapoliert werden könnte, wäre das kein Beweis, dass dies den Eintritt von SARS-CoV-2 in die Zelle erleichtern würde, schreiben die Experten.

Sie weisen darauf hin, dass ARB auch potenziell lungenprotektive Effekte entfalten könnten: Denn während einer akuten Lungenschädigung wird ACE2 in den Alveolen herunterreguliert. Dies würde den Angiotensin-II-Stoffwechsel drosseln, sodass lokal erhöhte Konzen­trationen an Angiotensin II vorliegen würden, die die Permeabilität der Alveolen erhöhen und dadurch die Lungenschädigung weiter aggravieren könnten. Hier könnte eine erhöhte ACE2-Expression aufgrund einer vorbestehenden Therapie mit ARB bei einer SARS-CoV-2-Infektion vielleicht sogar protektiv wirken.

Basierend auf der derzeit verfügbaren Evidenz gibt es keinen Grund, Hemmer des Renin-Angiotensin-Systems aufgrund von Bedenken hinsichtlich einer SARS-CoV-2-Infektion bei Patienten abzusetzen, die mit diesen wichtigen Antihypertensiva behandelt werden, so die Schlussfolgerung der Autoren.

Quelle: Danser AHJ et al. Hypertension 2020; DOI: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.120.15082