Anzeige

Hyponatriämie Stille Wasser sind tief

Autor: Dr. Susanne Meinrenken

Ein Glas demineralisiertes Wasser schadet wohl kaum. Größere Mengen können aber Probleme machen. Ein Glas demineralisiertes Wasser schadet wohl kaum. Größere Mengen können aber Probleme machen. © golfcphoto/gettyimages
Anzeige

Ein Auswanderer suchte in einer hiesigen Hausarztpraxis wegen einer rezidivierenden Hyponatriämie Rat. Bei längeren Aufenthalten in Deutschland verschwanden seine heftigen Symptome, zurück auf den Philippinen kehrten sie umgehend wieder.

Vor zehn Jahren hatte der Mann Deutschland den Rücken gekehrt und war auf die Philippinen ausgewandert. Nun stellte er sich mit einer symptomatischen rezidivierenden Hyponatriämie in einer Hausarztpraxis in Deutschland vor. Seit etwa fünf Jahren bestehe die Hyponatri­ämie, berichtete der 51-Jährige. In den vergangenen zwei Jahren hätten sich die Symptome merklich verschlimmert. 
Ursprünglich begonnen hatte es mit anhaltender Mund- und Augentrockenheit, gefolgt von starkem Durstgefühl und Harndrang. Dann waren Muskelkrämpfe an Armen und Beinen hinzugekommen, dazu innere Unruhe, Verwirrtheit, Gang­unsicherheit und Synkopen

In einer Klinik auf den Philippinen war erstmals ein Natriumwert von 119 mmol/l aufgefallen. Unter der Diagnose eines partiell zentralen ­Diabetes ­insipidus und eines renalen Salzverlustsyndroms war der Mann dort mit Desmopressin- und Kochsalztabletten behandelt und nach Hause entlassen worden. 

Bildgebung und Durstversuch lieferten keine Diagnose

Trotz umfangreicher, auch bildgebender Diagnostik auf den Philippinen und später im Uniklinikum München blieb die Ursache für die niedrigen Natriumwerte und die heftigen Beschwerden unklar, berichten Dr. ­Isabell ­Ruoß, Praxis für Allgemeinmedizin in Unterföhring, und Dr. ­Volker ­Hartmann von der München Klinik Schwabing. Da auch der Durstversuch zur Differenzialdiagnose von zentralem und peripherem Diabetes insipidus sowie einer psychogenen Polydipsie nicht weiterhalf und sich die Natriumwerte immer wieder normalisierten, wurde zwischenzeitlich die Diagnose rezidivierende Hyponatri­ämie unklarer Ätiologie gestellt. 

Um dem Auslöser der Beschwerden doch noch auf die Spur zu kommen, befragte man den Patienten ausführlich nach seiner Lebenssituation auf den Philippinen. Er wohne dort seit fünf Jahren in sehr einfachen Verhältnissen in einem Dorf, zusammen mit den indigenen Bewohnern der Insel. Er ernähre sich von Gemüse aus eigenem Anbau und trinke das Wasser aus einer öffentlichen Wasseraufbereitungsanlage. Seine Nachbarn hingegen nutzten Brunnenwasser. Beschwerden wie er hätten sie nicht.

Wie eine Recherche über die Art der Wasseraufbereitung ­ergab, wurde das Trinkwasser des Patienten durch Umkehrosmose entmineralisiert. Größere Mengen dieses Wassers zu trinken, führt demnach zu einer hypotonen Hyperhydratation, auch bekannt als Wasservergiftung. Der Mann erhielt die Empfehlung, künftig Wasser mit ausreichend hohem Mineralgehalt zu sich zu nehmen.

Eine Hyponatriämie entwickelt sich meist schleichend infolge einer langen Therapie, z.B. mit Thiazid­diuretika. Auch eine chronische Herzinsuffizienz oder fortgeschrittene Erkrankungen von Leber und Niere können sie auslösen. Besonders für diese Menschen kann es gefährlich sein, demineralisiertes Wasser zu trinken, erläutern Dr. ­Ruoß und Dr. ­Hartmann. Auf den Philippinen und anderswo wird derart aufbereitetes Wasser in Flaschen verkauft und als besonders rein angepriesen. Vor solchen Produkten sollte man Patienten mit chronischen Herz- oder Nierenkrankheiten im Rahmen einer reisemedizinischen Beratung warnen.

Quelle: Ruoß I, Hartmann V. Flug u Reisemed 2022; 29: 256-258; doi: 10.1055/a-1952-4192