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Meningoenzephalitis im Kindes- und Jugendalter Unerwartete Ursache einer Enzephalitis

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Auch Blasen auf der Haut, zum Beispiel an den Armen, können ein Hinweis auf eine persistierende HSV-Infektion darstellen. Auch Blasen auf der Haut, zum Beispiel an den Armen, können ein Hinweis auf eine persistierende HSV-Infektion darstellen. © Dr_Microbe – stock.adobe.com
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Eine Meningoenzephalitis im Kindes- und Jugendalter kann viele Ursachen haben. Ein Fallbeispiel zeigt, dass auch vor dem ersten Geschlechtsverkehr üblicherweise sexuell übertragbare Infektionen wie die mit Herpes-simplex-Viren Typ 2 nicht ausgeschlossen werden können.

Eine 15-Jährige wurde aufgrund eines Kollapses notfallmäßig in die Klinik eingewiesen. Die Patientin hatte in den beiden vorangegangenen Tagen unter Kopfschmerzen ohne Erbrechen gelitten, berichten Dr. ­Lisa ­Henrichfreise von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Evangelischen Krankenhaus Lippstadt und Kollegen in einer Kasuistik.

Die Jugendliche stammte aus Kenia und lebte seit drei Jahren mit ihrer Mutter in Deutschland. Der leibliche Vater war mit unbekannter Todesursache gestorben. Nach Angaben der Mutter war die bisherige Entwicklung des Mädchens alters­entsprechend und es gab keine ernsthaften Erkrankungen in der Vorgeschichte.

Zum Zeitpunkt der Vorstellung war die Patientin zwar ansprechbar, jedoch weiterhin somnolent. Darüber hinaus wies sie eine deutliche Nackensteifigkeit bei unauffälligem Reflexstatus auf. Die Pupillen waren eng, reagierten aber auf Lichteinfall. An den Armen imponierten vereinzelt verkrustete Blasen (Durchmesser ca. 2–3 cm), die laut Mutter seit dem fünften Jahr ohne klare Ursache rezidivierend auftraten. Weitere Auffälligkeiten zeigten sich in der klinischen Untersuchung nicht.

Pleozytose mit erhöhtem Eiweiß im Liquor

Auch Blutbild und Differenzialblutbild sowie die cMRT- und EEG-Untersuchung waren unauffällig. In der Liquoranalyse fielen eine Pleozytose (222 Leukozyten/µl; 96 % mononukleäre Zellen) und eine Eiweißerhöhung (95 mg/dl) auf. Per Multiplex-PCR des Liquors ließ sich HSV-2-DNA nachweisen. Darüber hinaus erfolgte ein serologischer Nachweis von IgG-Antikörpern gegen HSV-1/-2. Ein Konsi­liarlabor für Herpesviren bestätigte diese Befunde mit 31.500 Kopien/ml in der HSV-2-PCR. Auch wenn sowohl die Patientin als auch ihre Mutter einen zuvor stattgehabten Geschlechtsverkehr verneinten, wurden serologische Untersuchungen auf andere sexuell übertragbare Infektionen durchgeführt, die negativ ausfielen.

Am Aufnahmetag leiteten die behandelnden Kollegen eine empirische i.v.-Therapie mit Ceftriaxon und Aciclovir ein. Obwohl sich die Patientin bereits am nächsten Tag deutlich vigilanter präsentierte, musste sie einen Tag darauf aufgrund einer erneuten Verschlechterung ihres Zustandes auf die Intensivstation verlegt werden. Nach Ausschluss einer bakteriellen Meningitis und einer Neuroborreliose konnte man die Behandlung mit Ceftriaxon einen Tag später beenden. Die Gabe von Aciclovir lief über 14 Tage weiter. Danach wurde die Patientin in gesundem Allgemeinzustand entlassen.

Dr. ­Henrichfreise und ihre Kollegen vermuten, dass die rezidivierenden Bullae eine kutane Manifes­tation einer HSV-2-Reaktivierung darstellen. Sie wiesen die Patientin und ihre Mutter auf die Möglichkeit von weiteren Rezidiven im Sinne einer Mollaret-Meningitis hin.

Wie und wann die Primärinfek­tion stattfand, ließ sich nicht klären. Häufig wird das Virus während der Geburt von der Mutter auf das Kind übertragen, seltener schon in utero. Möglich wäre auch der Eintritt des Erregers über minimale Hautläsionen während Kindheit oder Adoleszenz. Bestimmte Immundefekte könnten zudem für eine Infektion mit HSV-2 prädestinieren.

Quelle: Henrichfreise L et al. Monatsschr Kinderheilkd 2023; 171: 527-530; DOI: 10.1007/s00112-019-00825-7