17. Jahrestagung der DGfN Update mit L: Wird aus dem CKM-Syndrom das CKLM-Syndrom

DGfN 2025 Autor: Bettina Müller-Ifland

Die komplexen Interaktionen von Herz, Niere und Metabolismus sind in den letzten Jahren verstärkt in den Blick genommen worden – aber fehlte in diesem Zusammenspiel der Organsysteme nicht bisher der Blick auf ein weiteres Organ? Die komplexen Interaktionen von Herz, Niere und Metabolismus sind in den letzten Jahren verstärkt in den Blick genommen worden – aber fehlte in diesem Zusammenspiel der Organsysteme nicht bisher der Blick auf ein weiteres Organ? © Aliaksandr-Marko - stock.adobe.com

Von der Pathophysiologie bis zur interdisziplinären Therapie reichten die Vortragsthemen in der Session zum CKM-Syndrom bei der 17. JAHRESTAGUNG DER DGFN in Berlin. Die komplexen Interaktionen von Herz, Niere und Metabolismus sind in den letzten Jahren verstärkt in den Blick genommen worden – aber fehlte in diesem Zusammenspiel der Organsysteme nicht bisher der Blick auf ein weiteres Organ?

Das kardiovaskulär-renal-metabolische Syndrom (CKM-Syndrom) markiert einen Paradigmenwechsel in der nephrologischen und kardiologischen Versorgung, erläuterte Referentin Dr. Amelie Gienapp (Vivantes Klinikum Braunschweig) in ihrem Vortrag zur Definition und Pathophysiologie des CKM-Syndroms. Während die Ronco-Klassifikation des kardiorenalen Syndroms bereits seit Jahren etabliert ist [Ronco et al. Cardiorenal Syndrome, J Am Coll Cardiol, 2008], definierte die American Heart Association 2023 das Cardiovascular-Kidney-Metabolic (CKM) -Syndrome als umfassende Gesundheitsstörung, die die komplexen Interaktionen zwischen Übergewicht, Diabetes mellitus, chronischer Nierenerkrankung und kardiovaskulären Erkrankungen abbildet. Auf der metabolischen Seite stehen neben dem Diabetes (meist ein Typ-2-Diabetes) auch Prädiabetes, Adipositas und nicht zu vergessen die Dyslipidämien. Zu den kardiovaskulären Erkrankungen gehören neben Herzversagen, Rhythmusstörungen wie Vorhofflimmern und koronarer Herzerkrankung auch Schlaganfall und PAVK

Das neue Krankheitskonzept

Die Relevanz dieses holistischen Ansatzes wird durch moderne Therapeutika wie SGLT2- Inhibitoren und GLP-1-Rezeptoragonisten unterstrichen, die simultan alle drei Achsen, also Herz, Niere und Metabolismus, adressieren.

Stadieneinteilung beleuchtet Risiko

Die American Heart Association etablierte eine vierstufige Klassifikation des CKM-Syndroms, die eine präzise Risikostratifizierung ermöglicht:

  • Stage 0: Patienten ohne Risikofaktoren mit gesundem Lebensstil
  • Stage 1: Erhöhtes Fettgewebe, abdominelle Fettverteilungsstörungen, Glukoseintoleranz
  • Stage 2: Manifeste metabolische Risikofaktoren (arterieller Hypertonus, metabolisches Syndrom, CKD mit moderatem Risiko, Typ-2-Diabetes, Dyslipidämie)
  • Stage 3: Subklinische kardiovaskuläre Erkrankung, subklinisches Herzversagen, CKD-Stadium 4-5
  • Stage 4: Klinisch aktive Symptomatik mit Vorhofflimmern, Schlaganfall, PAVK, manifester Herzinsuffizienz

Die prognostische Bedeutung dieser Stadien ist beeindruckend: Während Patienten in Stage 1 ein 10-Jahres-Risiko von lediglich 2,2% für kardiovaskuläre Ereignisse aufweisen, steigt dieses über 6,8% (Stage 2) und 9,7% (Stage 3) auf nahezu 24% in Stage 4. „Fast jeder vierte Patient wird in zehn Jahren eine kardiovaskuläre Erkrankung haben“, verdeutlichte Gienapp die Dringlichkeit früher Interventionen.

Verlust an Lebensjahren

Um frühzeitig Risiken abschätzen zu können, empfiehlt sich beispielsweise die Verwendung des Prevent Risk Calculator. Er integriert Geschlecht, Alter, Gesamtcholesterin, HDL, Blutdruck, BMI, eGFR, Diabetesstatus, Raucherstatus, antihypertensive Medikation und – besonders relevant – die Urin-Albumin Kreatinin-Ratio (UACR). Diese umfassende Risikostratifizierung ermöglicht präzise Prognosen zum individuellen Herzinsuffizienzrisiko. Insgesamt führt das CKM-Syndrom zu einem erheblichen Verlust an aktiven Lebensjahren, mit einem Peak bei 65- bis 90-Jährigen. Die Hauptursachen für den Verlust an Lebensjahren sind:

  1. Ischämische Herzerkrankung
  2. Schlaganfall
  3. Hoher BMI
  4. Chronische Nierenerkrankung
  5. Rhythmusstörungen (Vorhofflimmern/- flattern)
  6. PAVK

Der bidirektionale Teufelskreislauf

Die Pathophysiologie des CKM-Syndroms ist durch bidirektionale Interaktionen im Sinne eines Teufelskreislaufs charakterisiert. Neben den bekannten Interaktionen des kardiorenalen Syndroms ist beim CKM-Syndrom auf der metabolischen Seite ein besonders wichtiger Faktor, dass das viszerale Fettgewebe Adipokine freisetzt, die zu endothelialer Dysfunktion und oxidativem Stress führen. Die resultierende Mikroangiopathie manifestiert sich sowohl kardial als auch renal. „Der Kreislauf geht nicht nur in eine Richtung, er geht in beide Richtungen“, betonte Gienapp die wechselseitige Verstärkung der Organschädigungen. Relevant ist auch die direkte glomeruläre Schädigung durch Adipositas mit RAAS-Stimulation – ein Mechanismus, der die Bedeutung von SGLT2-Inhibitoren und GLP-1-Rezeptoragonisten unterstreicht. Eine Insulinresistenz fungiert als weiterer zentraler Pathomechanismus, der alle Organsysteme betrifft.

Die Leber: Das vernachlässigte Organ

Dr. Eva Maria Schleicher (Universitätsklinikum, Medizinische Klinik und Poliklinik I, Mainz) präsentierte in ihrem Vortrag „Was hat die Leber damit zu tun?“ überzeugende Argumente für die Umbenennung des Syndroms in „Cardio-Kidney-Liver-Metabolic Syndrome“. Die metabolische Dysfunktions-assoziierte steatotische Lebererkrankung MASLD) stellt eine zentrale Komponente des CKM-Kontinuums dar.

MASLD als Multisystemerkrankung

Patienten mit MASLD tragen ein erhöhtes 10-Jahres-Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Niereninsuffizienz und Malignome, insbesondere das hepatozelluläre Karzinom. Die Progression verläuft analog zur Atherosklerose langsam als Marathon, nicht als Sprint, so Schleicher und zählt als Progressionsfaktoren Adipositas, Insulinresistenz, Bewegungsarmut, Dyslipidämie und einen hohen Fruktosekonsum auf.

Epidemiologische Dimension der MASLD

Die Prävalenzdaten sind alarmierend: In Deutschland hatten 2016 bereits 3,3 Millionen Menschen eine MASH (metabolisch-assoziierte Steatohepatitis). Für 2030 wird mit einer halben Million Patienten mit MASH-Zirrhose gerechnet. Bei Typ-2-Diabetes beträgt die Prävalenz steatotischer Lebererkrankungen circa 65%. Eine MRI-Screening-Studie aus 2024 an 539 übergewichtigen Amerikanern (BMI >25) offenbarte, dass 75% bereits eine steatotische Lebererkrankung aufwiesen und bei 5% lag sogar schon eine Fibrose vor.

Fibrose-Screening: Der FIB-4-Score als Gatekeeper 

Das Fibrose-Screening sollte bei folgenden Risikokonstellationen erfolgen:

  • Typ-2-Diabetes
  • Persistierend erhöhte Transaminasen
  • Übergewicht plus ein weiterer Risikofaktor (erhöhte Triglyzeride, niedriges HDL-Cholesterin, Prädiabetes, arterielle Hypertonie, chronische Nierenerkrankung)

Der FIB-4-Score, berechnet aus Alter, Thrombozytenanzahl und AST (GOT) und ALT (GPT), ermöglicht eine hausärzliche Vorselektion ohne komplexe Lebersyntheseparameter. Werte über 1,3 indizieren ein Intermediate-High-Risk-Profil und sollten zur Überweisung an Spezialisten mit Lebersteifigkeitsmessung (Fibroscan) führen. Eine dänische Studie demonstrierte eindrucksvoll den therapeutischen Effekt allein schon des Screenings selbst: Nach sechs Monaten berichteten 35% der gescreenten Patienten über Kalorienreduktion und auch der Alkoholkonsum ging signifikant zurück. „Es lohnt sich für das Mindset, die Patienten zu screenen“, resümierte Schleicher.

Resmetirom: Erste spezifische MASLD-Therapie

Seit einigen Wochen steht mit Resmetirom erstmals ein spezifisches Medikament für MASLD zur Verfügung. Der selektive Schilddrüsenrezeptor-Beta-Agonist fördert in Hepatozyten den Triglyzeridabbau und die mitochondriale Beta-Oxidation von Fettsäuren. Phase-3-Daten bei Patienten mit MASH und Fibrose F2-F3 zeigten:

  • signifikante Verbesserung der bioptisch nachweisbaren Inflammation
  • Fibrose-Regression
  • deutliche LDL-Cholesterin-Senkung
  • Semaglutid, Liraglutid: GLP-1-Rezeptoragonist mit nachgewiesener kardiovaskulärer und renaler Protektion
  • Tirzepatid: Dualer GIP/GLP-1-Rezeptoragonist mit noch deutlicherer Gewichtsreduktion.

Diese Substanzen adressieren simultan multiple Komponenten des CKM-Syndroms und sind auch mit Resmetirom kombinierbar.

Inflammation nicht vernachlässigen

Ein wichtiges therapeutisches Target ist das residuale Risiko, was alle CKM-Patient:innen haben, trotz optimierter Lipid-Einstellung und auch trotz optimaler Blutdruckeinstellung. Es ist sicherlich zum Teil bedingt durch eine erhöhte Inflammation im Körper. Positiv zu bewerten ist, dass unter Therapie mit Semaglutid und Tirzepatid nicht nur das CRP sinkt, sondern gleichzeitig parallel auch einige andere inflammatorische Marker fallen. Wenn auch der Abfall nicht dramatisch sei, so reiche er doch aus, wie Brandenburg anmerkt, um „die Situation deutlich besser in den Griff zu bekommen“.

Herzinsuffizienz

Im Rahmen seines Vortrags zum CKM-Syndrom betonte Prof. Brandenburg die zentrale Rolle der Herzinsuffizienz als Endpunkt hinsichtlich Symptomlast und Prognose. Besonders im Kontext des CKM-Syndroms steht die diastolische Dysfunktion (HFpEF) zunehmend im Fokus. Während die systolische Herzinsuffizienz (HFrEF) therapeutisch mittlerweile gut kontrollierbar ist, nimmt die Bedeutung derHFpEF sowohl quantitativ als auch qualitativ zu. Charakteristisch für die HFpEF ist, dass sie meist im Zusammenhang mit mehreren Komorbiditäten auftritt, etwa arterieller Hypertonie, COPD, Adipositas oder Diabetes. Dies erfordert einen holistischen Therapieansatz, der über die rein kardiologische Behandlung hinausgeht und die Kontrolle der Begleiterkrankungen einschließt. Therapeutisch stehen bei der HFpEF gemäß dem Update 2023 der ESC-Leitlinien für HFpEF von 2021 neben der Optimierung des Flüssigkeitshaushalts mit Diuretika insbesondere SGLT2-Inhibitoren sowie die gezielte Behandlung von Komorbiditäten im Vordergrund. Diese Indikationsstellung über die Komorbiditäten ermöglicht für bestimmte Patientengruppen mit HFpEF somit bereits heute weitere spezifische Therapieoptionen: So kann bei Patient:innen mit Diabetes und diabetischer Nephropathie Finerenon eingesetzt werden. Adipöse Patient:innen mit kardiovaskulärer Begleiterkrankung profitieren ab einem BMI von 27 von einer Behandlung mit Semaglutid oder Tirzepatid. Damit lassen sich relevante Anteile der HFpEF-Patientenpopulation im Sinne einer umfassenden CKM-Therapie gezielt therapieren.

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DEFINITION UND KONZEPT:
 

  • Das CKM-Syndrom wurde 2023 neu definiert und zeigt das gemeinsame Kontinuum kardiovaskulärer, renaler und metabolischer Erkrankungen
  • Die Organe sind durch bidirektionale Pathophysiologie eng miteinander verknüpft
  • Die Leber sollte als viertes Organ integriert werden: Cardio-Kidney-LiverMetabolic Syndrome

 

DIAGNOSTIK:

 

  • Früherkennung mittels Prevent Risk Calculator und stadiengerechter Risikostratifizierung
  • Fibrose-Screening bei CKM-Risikopatienten mittels FIB-4-Score
  • Hausärztliches Screening über Checkup 35 abrechenbar

 

THERAPIE:

 

  • Konsequente Hypertoniebehandlung als Basis
  • SGLT2-Inhibitoren und GLP-1-Rezeptoragonisten als Säulen der modernen CKM-Therapie
  • Resmetirom als erste spezifische MASLD-Therapie (Fibrosestadien F2-F3 ohne Zirrhose)
  • Gewichtsreduktion als zentrale Intervention
  • Statintherapie bei CKD

VERSORGUNGSSTRUKTUREN:

 

  • Integratives, interprofessionelles, interdisziplinäres Management erforderlich
  • Kardiorenale Visiten unter Einbeziehung von Hepatologie und Diabetologie
  • Frühe Identifikation in Stages 1-2, bevor irreversible Schäden entstehen

Interdisziplinäre Versorgungsmodelle

Ein Beispiel für eine gelebte interdisziplinäre Versorgung ist die neu eingeführte kardiorenale Visite in Braunschweig: Wie Dr. Gienapp berichtete, treffen sich seit anderthalb Jahren Nephrologen und Kardiologen wöchentlich für eine Stunde zur gemeinsamen Fallbesprechung. Die Ausweitung auf Gastroenterologen und Diabetologen ist geplant. „Wir sehen, dass wir diese Patienten schneller, besser und vor allem strukturierter behandeln können, sodass sie weniger häufig in die Klinik kommen müssen“, berichtete Gienapp. Zudem betreut eine Heart-Failure-Nurse die Patienten im Nachgang telefonisch, monitort Gewichtszunahmen und meldet Probleme zurück. Dieses Modell wird auch Studierenden vermittelt, um diese wichtige Interdisziplinarität frühzeitig zu etablieren.

Umdenken erforderlich: systemisch statt organspezifisch

Die 17. Jahrestagung der DGFN machte deutlich: Das CKM-Syndrom erfordert ein Umdenken von der organspezifischen zur systemischen Betrachtungsweise. „Nur durch interdisziplinäre Zusammenarbeit und frühe Intervention können wir der steigenden Prävalenz bis 2046 begegnen und unseren Patienten aktive Lebensjahre zurückgeben“ schloss Gienapp.

Dieser Beitrag ist ursprünglich erschienen in: Nierenarzt/Nierenärztin 6/2025