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Umweltbilanz und Nachhaltigkeit Vor allem Kosmetika müssen aufholen

DDG-Tagung 2023 Autor: Maria Weiß

Das Plastikproblem im Meer wird vor allem durch Flaschen und Kosmetikmüll verursacht. Das Plastikproblem im Meer wird vor allem durch Flaschen und Kosmetikmüll verursacht. © marina_larina – stock.adobe.com
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Wenn es um die Vermeidung von negativen Folgen für die Umwelt geht, gibt es bei Kosmetika und topischen Präparaten noch einiges zu tun. Im Fokus stand in den letzten Jahren die Diskussion um UV-Filter, die z.B. beim Baden in den Wasserkreislauf gelangen. Viele unterschätzen jedoch Standardsubstanzen wie Vaseline und das Verpackungsmaterial der Produkte.

Trinkflaschen und Kosmetikverpackungen machen einen großen Teil des Plastikmülls im Meer aus, sagte Dr. med. Dipl. Biol. Susanne Saha, niedergelassene Dermatologin aus Karlsruhe. Sie verschmutzen nicht nur Wasser und Strände – durch den Einfluss von Wind und Wellen entsteht sekundär Mikroplastik, das zum Artensterben beiträgt und über die Nahrungskette auch von Menschen aufgenommen wird. Mikroplastik ist gesundheitsschädlich für den Menschen. Durch den Zerfall von Plastik unter Einfluss von UV-Licht werden zudem enorme Mengen an Methan frei, was den Klimawandel weiter vorantreibt.

Ob wir die nachfolgende Generation überhaupt noch schützten können, ist unklar, gibt Dr. Saha zu bedenken. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2022 war in 17 von 20 Blutproben von Neugeborenen PET (Polyethylenterephthalat) nachweisbar und in 75 % aller Muttermilchproben schwamm Mikroplastik. 

Gleichzeitig enthält Plastik noch zahlreiche unbekannte Stoffe, die unter dem Radar bleiben (siehe Kas­ten). Durch die Zugabe verschiedener Additiva werden Kunststoffe zu hochkomplexen Chemikaliencocktails mit vielen, z.T. noch völlig unerforschten Interaktionen. Auch Erkrankungen wie Diabetes, Übergewicht, Brust- und Hodenkrebs, Fruchtbarkeits- und Entwicklungsstörungen werden heute u.a. mit gefährlichen Chemikalien in Kunststoffen in Zusammenhang gebracht.

80 % der Kunststoffe bestehen aus ...

  • PE (Polyethylen): z.B Waschmittelflaschen, Tragetaschen, Rohre

  • PP (Polypropylen): u.a. Margarineverpackungen und Teppiche

  • PS (Polystyrol): z.B. Joghurtbecher und Wärmedämmung

  • PVC (Polyvinylchlorid): Material für Böden und Fensterrahmen

Besonders ungünstig, was das Verhältnis von Verpackung zu Inhalt angeht, sind die zahlreichen Produktproben der Kosmetikindustrie, gab Dr. Saha zu bedenken. Ein Unternehmen hat nach eigenen Angaben im Jahr 7 Millionen solcher Pröbchen verteilt – der Abfall entspricht dem Gewicht von 100 Elefanten. 

Doch Verpackungen sind nur eines der Probleme. Viele Grundlagen in Kosmetika und therapeutischen Externa enthalten in Bezug auf Nachhaltigkeit problematische Inhaltsstoffe, wie Dr. Su Youn ­Becker-Weimann­ von der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am Universitätsklinikum Frankfurt darstellte. Dazu gehören mineralölbasierte Substanzen wie Vaseline, Petrolatum, Paraffinium liquidum, Cera Microcristallina, Ceresin und vieles mehr. 

Ihr Vorteil: Sie sind preiswert, lösen so gut wie keine Allergien aus und hinterlassen ein angenehmes Gefühl auf der Haut. Bei der Herstellung dieser Substanzen fallen aber aromatische und gesättigte Mineralölkohlenwasserstoffe (MOSH und MOAH) an, die potenziell karzinogen und lebertoxisch sind und die Umwelt belasten.

Auch Silikone werden weiterhin häufig eingesetzt – z.B. in Conditioner oder in Externa als ölige Komponente mit einem weniger okklusiven Effekt. Sie verbessern die Galenik und Haptik der Produkte und sind als chemisch inerte Substanzen kaum allergen. Silikone werden aber in der Natur gar nicht oder nur extrem langsam abgebaut und können sich somit in der Umwelt und Nahrungskette anreichern. Was das für Folgen hat, wurde bisher kaum erforscht. 

Sehr beliebt sind zudem Kunststoffpolymere wie Acrylates Copolymer, Polyacrylsäure oder flüssiges Mikroplastik, die vor allem zur Verbesserung der Stabilität und als Gelbildner eingesetzt werden. Auch diese Stoffe sind schlecht biologisch abbaubar und reichern sich, wie Dr. Saha bereits erwähnte, in der Umwelt an. 

Polyethylenglykole (PEG) werden in Kosmetika vor allem als Feuchthaltemittel und Weichmacher eingesetzt. Zudem wirken sie penetrationsfördernd, sodass Wirkstoffe besser in die Haut eindringen können. PEG gelten selbst nicht als toxisch, beim Herstellungsprozess werden aber bedenkliche Stoffe wie Ethylenoxid freigesetzt.

Plastik ist mehr als Kunststoff

Von den 10.500 verschiedenen Zusatzstoffen sind knapp 2.500 als bedenklich zu werten, erläuterte Dr. Saha. Außerdem haben 90 der Zusatzstoffe Lebensmittelkontakt, Studien gibt es aber nicht zu allen – bei 10 % fehlen sie. 

Was sind nachhaltigere Alternativen? Für die Lipidphase in Vehikeln könnten statt Mineralölen auch natürlich nachwachsende pflanzliche Fette, Öle und Wachse, z.B. Squalan, Carnaubawachs Sheabutter oder auch Bienenwachs eingesetzt werden – allesamt biologisch abbaubar. Mit pflanzlichen Stoffen ließen sich auch Silikone ersetzen. Für Kunststoffpolymere als Konsistenz- und Gelbildner gibt es natürliche Alternativen wie Xanthan Gum, Guargummi oder Agar-Agar. Statt PEG als Feuchthaltemittel wären auch biotechnologisch hergestellte Hyaluronsäure oder pflanzliches Glycerin denkbar.   

Schwieriger sieht die Lage bei nachhaltigen Verpackungen aus. Egal ob Glas, Kunststoff, Aluminium – summa summarum ist die Ökobilanz bei allen klassischen Verpackungsmaterialien nicht optimal. Glas wird in der Öffentlichkeit noch als am umweltfreundlichsten wahrgenommen, benötigt aber sehr viel Energie bei der Herstellung und durch das höhere Gewicht beim Transport. Auch das Recycling verbraucht viel Energie, was die Klimabilanz verschlechtert. Glasbehälter sind daher nur nachhaltig, wenn sie mindestens achtmal als Mehrwegverpackung eingesetzt werden, sagte Dr. Becker-Weimann. Zudem gilt, je leichter, des­to besser. Für die Verpackung von Cremes, Lotions und Salben ist die optimale Lösung somit noch nicht gefunden.

Quelle: Kongressbericht 52. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft