„Donnerschlag“ in der Schwangerschaft Warum man maximale Kopfschmerzen immer sofort abklären muss
Vernichtungskopfschmerz ist immer ein Notfall
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Die 32-jährige war zum ersten mal schwanger und befand sich in der 37. Schwangerschaftswoche, als ihre Beschwerden begannen. Zwei Tage nachdem heftigste Kopfschmerzen beim Aufwachen aufgetreten waren, gelangte sie in die Abteilung für Neurologie der Universitätsklinik Toronto, berichten Dr. Andrea Kuczynski und Dr. William Kingston. Es seien die schlimmsten Kopfschmerzen, die sie jemals erlitten habe, berichtete die Frau und gab einen Wert von 10 von 10 an. Zusätzlich bestanden Photo- und Phonophobie. Husten und Anstrengung steigerten den Schmerz noch für ca. 20 Minuten. Paracetamol linderte die Pein minimal. Ein Infekt war nicht vorausgegangen, eine Vorgeschichte mit Kopfschmerzattacken bzw. Migräne bei ihr selbst oder in der Familie gab es nicht. Die Schwangerschaft war bisher ohne Komplikationen verlaufen.
Das Autorenteam ordnete die Beschwerden als Donnerschlagkopfschmerz ein, auch Vernichtungskopfschmerz genannt. Er ist definiert durch akuten Beginn, der sein Maximum innerhalb einer Minute erreicht. Auch bei Nichtschwangeren gilt er als Notfall und erfordert sofortige Diagnostik. In diesem Fall machte dem Ärzteteam insbesondere die Verschlimmerung nach Husten und Anstrengung Sorgen. Denn diese Valsalvamanöver erhöhen den intrakraniellen Druck und deuten auf eine Raumforderung hin. Bei Schwangeren muss man als Ursachen eines Vernichtungskopfschmerzes außerdem an Schlaganfall, Subarachnoidalblutung, Arteriendissektion und Sinusvenenthrombose denken. Auch ein reversibles zerebrales Vasokonstriktionssyndrom und eine idiopathische intrakranielle Hypertonie kommen infrage.
Im MRT und Time-of-Flight-Angiogramm (ohne Kontrastmittel) zeigten sich keine Auffälligkeiten und in der Augenspiegelung keine Stauungspapille. Auch die Liquoruntersuchung fiel normal aus, ebenso alle erhobenen Laborparameter. Metoclopramid, Ondansetron und ein Flüssigkeitsbolus linderten die Schmerzen leicht. Die Wirkung eines Lidocainblocks hielt nur 30 Minuten an. Bisher tappte man, was die Ursache der Beschwerden anging, im Dunkeln.
Am dritten stationären Tag fiel eine Erhöhung der Leberenzyme auf (ALAT: 100 U/l), die Blutplättchen sanken auf einen Wert von 169.000/µl ab und das Hämoglobin auf 9,7 g/dl. Die Kombination aus erhöhten Leberenzymen und niedrigen Thrombozytenzahlen weckte bei den behandelnden Ärztinnen und Ärzten den Verdacht auf ein HELPP1-Syndrom, eine ernste Komplikation der Präeklampsie oder Eklampsie. Durch weitere Laboruntersuchungen sollte nach einer Hämolyse gefahndet werden. Dazu kam es aber nicht mehr. Denn die Gynäkologen wollten nicht mehr warten und holten das Kind per Kaiserschnitt. Nach der Entbindung verschwanden die Kopfschmerzen komplett und traten auch in den folgenden Monaten nicht erneut auf.
Erstgebährende, ältere Schwangere (über 35 Jahre) und Frauen mit Mehrlingsschwangerschaften sind besonders gefährdet, ein HELLP-Syndrom zu entwickeln, schreiben Kucxynski und Kingston. Die Ursache kennt man nicht und die Behandlung ist unspezifisch. Vor der 34. Schwangerschaftswoche kann man in leichten Fällen Kortikosteroide geben. In schweren Fällen ist die Entbindung erforderlich. Denn der Mutter drohen schwere Komplikationen, u.a. Lungenödem, akutes Nierenversagen, Sepsis und Leberversagen. Das Leben des Kindes wird gefährdet durch eine Dysfunktion der Plazenta. HELPP kann sich durch eine Reihe unspezifischer Symptome äußern. Kopfschmerzen haben dabei die höchste Sensitivität und Spezifität.
1) hemolysis, elevated liver enzymes and low platelets
Quelle: Kuczynski A et al., Neurology 2025; 105:e214029; doi:10.1212/WNL.0000000000214029