Essen im Takt der inneren Uhr Zeitlich begrenzte Nahrungsaufnahme gut für Betazellfunktion und Glukosetoleranz

Autor: Antje Thiel

Unsere zentrale biologische Uhr sitzt im Nucleus suprachiasmaticus des Hypothalamus Unsere zentrale biologische Uhr sitzt im Nucleus suprachiasmaticus des Hypothalamus © SASITHORN - stock.adobe.com

Auch periphere Stoffwechselprozesse folgen zirkadianen Rhythmen, doch heutige Lebensgewohnheiten bringen diese oft durcheinander. Dies kann die Insulinsekretion, metabolische Parameter und das Gewicht beeinflussen. Positiv wirken sich begrenzte Zeitfenster für die Nahrungsaufnahme aus. 

Unsere zentrale biologische Uhr sitzt im Nucleus suprachiasmaticus des Hypothalamus, erläuterte Dr. Christine A. Doucette von der University of Manitoba in Winnipeg/Kanada. „Aber daneben gibt es periphere Uhren in nahezu jedem Organ – auch in den Betazellen.“ Diese zirkadianen Rhythmen werden durch Transkriptionsfaktoren wie CLOCK und BMAL1 gesteuert. Studien legen nahe, dass ca. 30 bis 40 % aller Gene in Betazellen zirkadian reguliert sind.

Innere Uhr: essenziell für metabolische Balance

Ein Klassiker unter den Studien, so Dr. Doucette, zeige bereits 1973, dass die Glukosetoleranz tageszeitabhängig variiere.1 Auch isolierte Inselzellen behalten für etwa drei Tage nach der Entnahme ihre Rhythmik. Ein Verlust der zirkadianen Uhr hingegen beeinträchtigt die Betazellfunktion. „Das zeigt, dass die innere Uhr absolut essenziell für die metabolische Balance ist.“

Denn der zelluläre zirkadiane Takt in Betazellen steuert Transkriptions‑ und Funktionszyklen und beeinflusst die tägliche Insulinsekretionskapazität, postnatale Betazellreifung sowie adaptive Antworten auf metabolischen Stress und akute Verletzungen. Dr. Doucette interessiert sich in ihrer Forschung daher besonders für das mitochondriale Protein UCP2, das mit reduzierter Insulinsekretion assoziiert ist (s. Kasten). „UCP2 wird bei längerer Nahrungskarenz hochreguliert – vielleicht als Schutzmechanismus gegen Hypoglykämien. Wir vermuten, dass es als zirkadianer Regulator der Insulinsekretion wirkt.“ Dr. Doucette erinnerte an die biologische Ausgangslage des Menschen: „Wir sind nicht dafür gemacht, rund um die Uhr Nahrung verfügbar zu haben. Unsere evolutionäre Geschichte ist von Fastenphasen geprägt – und unser Stoffwechsel braucht diese Pausen.“

Hinzu kommt ein weiterer wichtiger Aspekt: der Einfluss der mütterlichen Rhythmik auf den Stoffwechsel des Nachwuchses. In einem Tiermodell zeigte das Team um Dr. Doucette, dass Nachkommen von Ratten mit Gestationsdiabetes (GDM) langfristig eine eingeschränkte Betazellfunktion aufwiesen – insbesondere männliche Nachkommen. „Wenn wir Nobiletin, ein Flavonoid mit rhythmusstabilisierender Wirkung, verabreichen, lässt sich die Insulinsekretion wiederherstellen.“

UCP2 – ein molekularer Taktgeber der Betazelle? 

Uncoupling Protein 2 (UCP2) ist ein mitochondriales Transportprotein, das den Protonengradienten an der inneren Mitochondrienmembran reduziert – mit weitreichenden Folgen für die Energieproduktion und die Funktion der Betazellen:

  • Weniger ATP, weniger Insulin: Durch die „Entkopplung“ der Atmungskette wird weniger ATP gebildet, das als zentraler Trigger für die glukoseabhängige Insulinfreisetzung gilt.
  • Akute Rolle bei Energiekrisen: UCP2 wird besonders bei längeren Fastenphasen (24–72 h) hochreguliert. Vermutlich handelt es sich um einen Schutzmechanismus, um in Hungerperioden Hypoglykämien zu vermeiden.
  • Chronische Aktivierung problematisch: Bei metabolischem Stress (z. B. Typ-2-Diabetes, Lipotoxizität) bleibt UCP2 häufig dauerhaft aktiv, was die Insulinsekretion nachhaltig dämpft.
  • Zirkadiane Kontrolle: Neue Daten legen nahe, dass die Expression von UCP2 tageszeitlich variiert und durch die innere Uhr mitgesteuert wird – ein möglicher Ansatzpunkt für zeitlich abgestimmte Therapien. UCP2 gilt daher als möglicher Vermittler zwischen zirkadianer Rhythmik, Ernährungsverhalten und Betazellfunktion. 

Nahrungsaufnahme: Auch hier zählt das richtige Timing

Prof. Dr. Satchidananda Panda vom Salk Institute in La Jolla/Kalifornien widmete sich der translationalen Seite der zirkadianen Forschung: der zeitlich begrenzten Nahrungsaufnahme. „In den letzten 20 Jahren haben wir gelernt: Kalorienreduktion verbessert die Gesundheit, bessere Nahrungsqualität auch. Aber neuerdings wissen wir – auch das Timing der Nahrungsaufnahme hat einen großen Effekt.“

Er verwies auf Tiermodelle, wonach selbst bei hochkalorischer Diät eine Einschränkung des Essensfensters (Time-Restricted Feeding, TRF) auf acht bis zehn Stunden zu einer besseren metabolischen Gesundheit führt – unabhängig von der Kalorienmenge. „Time-Restricted Feeding reduziert Glukose- und Insulinspiegel, senkt die Leberfettwerte und dämpft die Effekte einer atherogenen Diät – bei beiden Geschlechtern.“ Und: Präklinische und auch klinische Studien an Menschen ergäben einen ganzen Strauß positiver Effekte von TRF, darunter verbesserte Herz- und Nierenfunktion, niedrigerer Blutdruck und niedrigere Blutfette, reduziertes Tumorwachstum und geringere Inflammationswerte.

In einer eigenen Studie mit Erwachsenen mit metabolischem Syndrom konnte eine Reduktion des Essensfensters um täglich vier Stunden über einen Zeitraum von zwölf Wochen den HbA1c-Wert um 0,1 % senken – ohne zusätzliche Medikation. Auch bei Schichtarbeit verbesserte eine Reduktion des Zeitfensters der Nahrungsaufnahme auf maximal zehn Stunden die Blutfettwerte und die Lebensqualität. Eine Rückbesinnung auf den zirkadianen Rhythmus hat nach Einschätzung von Prof. Panda also durchaus therapeutische Relevanz.

Von längeren Phasen der Nahrungskarenz sind die meisten Menschen allerding weit entfernt, denn sie essen über eine Spanne von mehr als 14 Stunden täglich. Dies zeigen Daten aus Prof. Pandas eigens zu Studienzwecken eingerichteter zirkadianer Tracking-App: „Nur etwa einer von zehn Erwachsenen beschränkt sich auf ein Zehn-Stunden-Fenster. Viele beginnen früh mit der Kalorienaufnahme und essen dann über den ganzen Tag verteilt.“

Jahrestagung American Diabetes Association  

Quelle: 1. Kevin F Carroll, Paul J Nestel. Diabetes 1 May 1973; 22 (5): 333–348; doi: 10.2337/diab.22.5.333