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Ärzte verlassen Bündnis mit Lebensmittelindustrie

Autor: Thomas Trappe

Unter anderem sollte die Abgabe zuckerhaltiger Getränke in Schulen unterbunden werden, lautet eine der Forderungen. Unter anderem sollte die Abgabe zuckerhaltiger Getränke in Schulen unterbunden werden, lautet eine der Forderungen. © iStock/hedgehog94 und iStock/Ranta Images
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Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), die Deutsche Adipositasgesellschaft (DAG) und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) sind mit ihrer Kooperation mit der Industrie in Sachen Zucker unzufrieden. Jetzt haben sie Konsequenzen gezogen.

Die Plattform Ernährung und Bewegung (PEB) will gesundheitsbewusstes Verhalten fördern. BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach wirft den Bündnismitgliedern aus der Lebensmittelindus­trie jedoch vor, den Fokus systematisch auf das Thema Bewegung zu verschieben und so Diskussionen etwa über Zucker­reduzierungen zu verhindern. Die Hoffnung, gemeinsam mit der Industrie Fortschritte zu erzielen, sei enttäuscht worden, so Dr. Fischbach.

Erkrankungsrisiko hat sogar noch zugenommen

Dabei sind diese dringend nötig, wie Professor Dr. Berthold Koletzko von der DGKJ-Ernährungskommission betonte. Hierzulande leiden 15 % aller Kinder an Übergewicht und 6 % an Adipositas. Vor allem Kinder aus bildungsfernen Haushalten sind betroffen. Sie hätten heute im Vergleich zum Durchschnitt der Jugend ein vierfach erhöhtes Risiko, an Adipositas zu erkranken, 2006 sei es noch der Faktor drei gewesen. Kinder mit einem BMI von über 35 verlören etwa 19 gesunde Lebensjahre.

Mit gut gemachten Broschüren, die nur ohnehin interessierte Familien aus der Mittelschicht erreichten, sowie Projektarbeit sei kein ausreichender Schutz der Kinder aus Risikogruppen zu erzielen, sagt DGKJ-Präsidentin Professor Dr. Ingeborg Krägeloh-Mann. „Viele Eltern reden das Problem klein“, weiß auch Dr. Fischbach zu berichten. Deshalb müsse mit steuerlichen Ins­trumenten eingegriffen werden. Am besten geeignet sei dafür eine Zuckersteuer. „Die Abgabe zuckerhaltiger Getränken in Kita und Schule muss strikt unterbunden werden, so wie es in Belgien und Frankreich selbstverständlich ist“, sagt DAG-Vizepräsidentin PD Dr. Susanna Wiegand. „Kinder sollen lernen, Wasser zu trinken, um ihre Gesundheit zu schützen.“

Auch bei der „Lebensmittelampel“, die es laut Koalitionsvertrag geben soll, befürchten die drei Fachorganisationen, dass die Interessen der Nahrungsmittelindustrie im Übermaß berücksichtigt werden. Man sollte sich ein Beispiel an Frankreich nehmen. Dort gebe es einen „Nutri­score“, der die Verbraucher mittels einer Farbskala schnell erfassbar informiert, welche Lebensmittel (un)gesund sind.

Sein Verband habe „keine Lust mehr, als Feigenblatt herzuhalten“, sagte Dr. Fischbach zum PEB-Austritt. Mirko Eichner, Geschäftsführer der PEB, zeigte sich enttäuscht darüber, bestritt aber, dass das Bündnis gegen die eigenen Ziele arbeite. 

Quelle: BVKJ, DGKJ, DAG – Pressekonferenz

Dr. Thomas Fischbach, BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach, BVKJ-Präsident © BVKJ