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Versorgung bei Rheuma Alle in einem Boot

DGIM 2024 Autor: Friederike Klein

Koordinierte Kooperation soll die Versorgung von Rheumapatienten verbessern. Koordinierte Kooperation soll die Versorgung von Rheumapatienten verbessern. © Premreuthai – stock.adobe.com
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Wünschenswert wäre, wenn alle Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen vom Rheumatologen gesehen werden.  Das war schon bisher unrealistisch, und zukünftig wird es noch weniger niedergelassene Rheumatologen geben. Wie lässt sich die Versorgung verbessern?

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: So gibt es z.B. in Rheinland-Pfalz aktuell nur elf ambulant tätige Rheumatologen – notwendig für die Versorgung wären zwei pro 100.000 Einwohner, also 40 bis 64, berichtete Prof. Dr. Andreas Schwarting, Leiter der Abteilung Rheumatologie und klinische Immunologie der Universitätsmedizin Mainz. Wegen dieses Dilemmas ist es wichtig, die Patientenströme zu filtern, um die noch tätigen Rheumatologen zu entlasten und Diagnose und Therapie der Betroffenen sicherstellen zu können. 

Eine Idee ist die „koordinierte Kooperation“. Im Kooperationsprojekt Rheuma.VOR können Hausärzte, Allgemeinmediziner, Internisten, Neurologen, Ophthalmologen und Orthopäden als erste und wichtigste Ansprechpartner für Menschen mit möglicher rheumatischer Erkrankung App-gestützt ein Screening auf eine Rheumatoide Arthritis, Psoriasisarthritis und axiale Spondyloarthritis durchführen. Das ausgefüllte und unterschriebene Screeningformular mit den Patientendaten wird per Fax an die Rheuma.VOR-Koordinationszentrale gesandt und dort ausgewertet. „Mit Fax können Sie immer noch jede Praxis erreichen“, betonte Prof. Schwarting und berichtete, dass er in einer anderen aktuell laufenden Studie wieder erlebe, dass das per Internet nicht so gut gelingt. Besteht der konkrete Verdacht auf eine rheumatologische Erkrankung, wird innerhalb von zwei bis vier Wochen ein Facharzttermin vermittelt. Das Prozedere führe zu einer Entlastung der Rheumatologen, verbessere die Lebensqualität der Patienten und spare Kosten, berichtete Prof. Schwarting. 

Aber das allein wird nicht reichen. „Den Patienten in Remission muss der Hausarzt betreuen“, sagte der Experte. Die rheumatologischen Ressourcen werden für die Erstdiagnose und Therapieeinstellung benötigt. Wie das gehen könnte, zeigt ein telemedizinisches Modellprojekt mit einer Hausarztpraxis im Westerwald. Die dortigen Hausärzte wurden rheumatologisch geschult und werden durch eine rheumatologisch-fachärztliche Aufsicht begleitet. Ein bis zwei Mal im Monat gibt es eine gemeinsame Sprechstunde. Seit 2019 wurden etwa 150 Patienten mit Erstdiagnose und Therapie versorgt. „Es gibt eine hervorragende Lernkurve“, sagte Prof. Schwarting. „Auch die Therapie mit Biologika ist unter diesen Bedingungen möglich und sicher.“ Das Projekt soll auf ganz Rheinland-Pfalz ausgedehnt werden. Aber bislang erfolgte das alles auf Eigenleistung – das geht auf Dauer nicht so weiter, sagte er.

Auch die Komorbiditäten sind Teamsache, fand Prof. Dr. Dr. Axel Hueber, Leiter der Abteilung Rheumatologie am Klinikum Nürnberg. Im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) für rheumatische Erkrankungen in Nürnberg zeigte sich, dass viele der 200 betreuten Patienten ein hohes kardiovaskuläres Risiko aufwiesen, jeder Zehnte nicht gut hinsichtlich LDL-Cholesterin eingestellt war und fast die Hälfte einen Hypertonus aufwies. Nur gut die Hälfte der Patienten hatten einen Impfschutz gegen Pneumokokken und Influenza und nur ein gutes Drittel war gegen Herpes zoster geimpft. Viele der Patienten hatten auch nicht regelmäßig an Krebsfrüherkennungsuntersuchungen teilgenommen.

Um diese Situation zu verbessern, setzen die Rheumatologen in Nürnberg auf ein Patienten-Empowerment: Die Betroffenen erhalten vom Rheumatologen eine Liste, welche Untersuchungen sie in Eigenregie organisieren sollen. Die Zwischenbilanz nach drei Monaten war positiv, berichtete Prof. Hueber: Im Durchschnitt hatten die Patienten schon 45 % der To-do-Liste „abgearbeitet“. So war beispielsweise 87 Patienten eine Überprüfung des Blutdrucks beim Hausarzt empfohlen worden. Das hatten 62 in den ersten drei Monaten erledigt. Acht Patienten hatten daraufhin die Erstdiagnose einer arteriellen Hypertonie erhalten, bei zwölf war die bestehende Blutdruckmedikation angepasst worden.

Die Herpes-zoster-Impfquote stieg von 38,3 % auf 62,4 % an. Der Anteil der Patienten, die eine Krebsfrüherkennungsuntersuchung wahrgenommen hatten, war ebenfalls deutlich angestiegen. „Man kann den Patienten mehr Verantwortung geben“, betonte Prof. Hueber. Patienten-Empowerment funktioniert!

Quelle: 130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin