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Anti-Aging-Produkte halten der wissenschaftlichen Prüfung nicht stand

Autor: Ulrike Viegener

Dass Proteine wie Q10 oder DNA-Reparaturenzyme Alterungsprozesse bremsen können, ist nicht belegt. Dass Proteine wie Q10 oder DNA-Reparaturenzyme Alterungsprozesse bremsen können, ist nicht belegt. © iStock/LuckyStep48
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Die Bilanz ist ernüchternd, die Versprechen sind meist aus der Luft gegriffen: Keine der derzeit hochgejubelten Substanzen, die das Altern aufhalten sollen, hält einer eingehenden Prüfung stand. Cremes, Pillen und Pülverchen mit diesen Inhaltsstoffen sind ihr Geld wohl nicht wert.

Von einer „kompromisslosen Medizinalisierung“ alter Menschen spricht Privatdozent Dr. ­Thomas ­Münzer, Geriatrische Klinik St. ­Gallen. Er hebt damit auf das heutzutage verbreitete Verständnis des Alterns als einem beklagenswerten, defizitären Prozess ab, den man unbedingt aushebeln und aufhalten müsse.

Durch die wissenschaftliche Erforschung von Alterungsprozessen und durch die sogenannte Anti-Aging-Medizin ist der alte Traum vom Jungbrunnen in einer neuen Version auferstanden, beschreibt es der Geriater. Doch trotz enormer Anstrengungen sei die Wunderwaffe gegen das physiologische Altern noch lange nicht gefunden. Und die angeblichen Fakten und wissenschaftlichen Belege, mit deren Hilfe die verfügbaren Präparate, Produkte und Verfahren vermarktet werden sollen, kämen mitunter doch recht bizarr daher, meint der Autor. 

Lange Telomere sind mit Karzinomen assoziiert

Eine der Zielstrukturen, auf die Anti-Aging-Forscher fokussieren, ist die Telomerase. Das Enzym wirkt der Verkürzung der Telomere entgegen, das sind die nicht-kodierenden, stabilisierenden DNA-Sequenzen an den Enden der Chromosomen. Einer Theorie folgend ist die sukzessive Verkürzung der Telomere der Grund, warum Zellen nur begrenzt teilungsfähig sind. Inwieweit die Telomerenverkürzung bei natürlichen Alterungsprozessen tatsächlich eine Rolle spielt, ist unklar. Ebenso bestehen Zweifel, dass sich Altern durch eine Mani­pulation der Telomerase beeinflussen lässt.

Ungeachtet der dürftigen Evidenzlage ist das DNA-Reparatur­enzym zum Liebling der Anti-Aging-Szene geworden. „Langes Telomer bedeutet langes Leben“, so lautet die Devise. Kapseln und Pillen sollen das Enzym aktivieren und die Telomerlänge günstig beeinflussen. Vor allem ­TA-65, ein Extrakt aus der Pflanze ­Astragalus ­membranaceus, auch Mongolische Tragantwurzel genannt, werden telomerverlängernde Eigenschaften nachgesagt. Tatsächlich konnte der Effekt an Mäusen gezeigt werden – allerdings war dies keineswegs mit einem Gewinn an Lebenszeit verbunden, berichtet Dr. ­Münzer. Er weist darauf hin, dass eine Manipulation an den Chromosomen­enden riskant sein könnte: Schließlich sind lange Telomere beim Menschen mit verschiedenen malignen Tumoren assoziiert, unter anderem mit Melanomen, Basalzell- und Lungenkarzinomen sowie Lymphomen. 

Ein weiterer „heißer“ Kandidat ist ­Ubichinon 10 (Q10), ein Koenzym der mitochondrialen Atmungs­kette. Bei Q10 handelt es sich um einen Elektronentransporter mit zentraler Rolle bei der ATP*-Produktion. In stoffwechselaktiven Organen wie Herz, Niere und Leber ist seine Konzentration vergleichsweise hoch, mit dem Alter nimmt sie ab. 

Auch in diesem Fall setzten die Fans der Substanz eine mit nichts bewiesene, simple Argumentation in die Welt: „Viel Energie heißt längeres Leben.“ Auf dieser Basis wird die organische Verbindung als jung­erhaltender Inhaltsstoff sowohl in Kosmetika als auch in Nahrungsergänzungsmitteln eifrig beworben. Wenn überhaupt vorhanden, dann scheinen die belegbaren Effekte des Q10 allenfalls marginal zu sein.

Auch dem Resveratrol, einer Substanz aus Wein­beeren und ein Inhaltsstoff des Rotweins, werden günstige Effekte zugeschrieben. Das Polyphenol soll alterungsrelevante Effekte der Sirtuine ausbremsen können. Das sind, vereinfacht ausgedrückt, intrazelluläre Energiesensoren, die auf eine Vielzahl von Stoffwechselprozessen wie Insulinsekretion und Lipolyse Einfluss nehmen sollen. Vor allem Sirtuin-1 wird als eine Art anaboler Signalgeber mit Alterungsprozessen in Zusammenhang gebracht. Wirklich belegt sind diese Zusammenhänge bislang nicht.

Metformin macht Mäuse zu Methusalems

Vergleichsweise gut kommt Metformin weg. Mit Blick auf altersbedingte Gebrechlichkeit schlagen die Effekte auf Muskulatur und Fettgewebe positiv zu Buche. Außerdem gibt es Hinweise, dass das orale Antidia­betikum der malignen Entartung von Zellen entgegenwirken kann. Aber auch für diese Substanz muss erst noch bewiesen werden, dass es gesundes Altern zu fördern und die Lebenserwartung zu steigern vermag, schreibt Dr. ­Münzer. Immerhin: Bei sehr alten Mäusen ließ sich mit Metformin die Lebensspanne um knapp 40 % verlängern. Bemerkenswert ist zudem, dass derzeit mehrere kontrollierte, randomisierte Metformin-Studien mit älteren Menschen laufen.

* Adenosintriphosphat

Quelle: Münzer T. Dtsch Med Wochenschr 2021; 146: 543-551; DOI: 10.1055/a-0986-5052