
Telemedizin und App-Nutzung „App-Hype muss relativiert werden“

Menschen mit Typ-2-Diabetes und koronarer Herzerkrankung haben u. a. ein besonders hohes Risiko für Herzinfarkte. Wer seinen Lebenswandel ändert, kann solche Risiken senken. Können Telemedizin und Trainings-Apps dabei helfen?
Für die Studie wurden die 502 Teilnehmenden (84 % Männer) in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Kontrollgruppe wurde wie gewohnt ärztlich betreut und erhielt eingangs standardisierte Ernährungsempfehlungen und Infomaterial zu körperlicher Aktivität. Die zweite Gruppe erhielt zusätzlich u. a. ein individualisiertes, App-gestütztes Sportprogramm für zu Hause und mehrmalig personalisierte Ernährungstipps. In den ersten sechs Monaten wurden die Teilnehmenden durch regelmäßige Telefonate begleitet. In einer zweiten Phase sollten sie die Übungen selbstständig befolgen.
„Nach den ersten sechs Monaten konnten wir bei der Interventionsgruppe eine Verbesserung des Langzeitblutzuckers um -0,13 Prozentpunkte feststellen“, so Dr. Stephan Müller, Sportwissenschaftler an der Abteilung und Poliklinik für Präventive Sportmedizin und Sportkardiologie der TUM. Das ist zwar eine geringe Verbesserung, aber statistisch signifikant. Betrachtet man nur Teilnehmende, die tatsächlich die Trainings- und Ernährungsvorgaben befolgt haben, liegt die Verbesserung bei fast -0,3 Prozentpunkten. Zudem zeigten sich hier auch statistisch signifikante Effekte auf Körpergewicht, Bauchumfang, Blutfettwerte und Triglyceride. Nach Ende der zweiten Phase waren im Vergleich zur Kontrollgruppe keine Vorteile mehr festzustellen.
Individualisierte Begleitung: „viel Aufwand für wenig Ertrag“
Aus Sicht der Forschenden war ein wichtiger Faktor die Mitwirkung der Teilnehmenden. Schon in den ersten sechs Monaten erfüllten nur 41 % die Adhärenzkriterien für die Bewegungsübungen. Unter denen, die „nicht ausreichend“ mitwirkten, erreichte fast die Hälfte das Ziel nicht in einer einzigen Woche. Rund ein Viertel aller Teilnehmenden fing erst gar nicht mit dem Training an – dafür waren u. U. Technologiebarrieren mitverantwortlich. Aus Sicht von Dr. Martin Halle, Letztautor und Professor für präventive Sportmedizin und Sportkardiologie, sind große Studien wie diese wichtig, um den tatsächlichen Erfolg von App-basierten Ansätzen zu messen. Auch durch den Mangel an Ärzt*innen werde viel Hoffnung in Gesundheitsförderung durch Apps etc. gesetzt.
„Die individualisierte Begleitung war sehr aufwendig“, sagt Prof. Halle. „Die Auswertung zeigt, dass dieser Aufwand wenig Ertrag geliefert hat.“ Und: „Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass eine ganzheitliche Herangehensweise notwendig ist. Der aktuelle App-Hype muss relativiert werden. Persönliche Betreuung bleibt ein unverzichtbarer Bestandteil der Patientenversorgung.“
Quelle: Mueller S et al. Nat Med 2025; doi: 10.1038/s41591-025-03498-w