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Bakterien werden resistenter gegenüber Desinfektionsmitteln

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Die entstandene Toleranz kann auch nach dem Ende der Anwendung erhalten bleiben. Die entstandene Toleranz kann auch nach dem Ende der Anwendung erhalten bleiben. © iStock/zsv3207
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Keime können gegen biozide Inhaltsstoffe von Antiseptika und Desinfektionsmitteln eine Toleranz entwickeln. Deshalb sollten solche Additiva nur bei nachgewiesenem Zusatznutzen eingesetzt werden.

Selektionsdruck erzeugt Anpassung: Als Antwort auf eine Exposition unterhalb der minimalen Hemmkonzentration verlieren manche Bakterien ihre Empfindlichkeit gegenüber bioziden Substanzen. Die so entstandene Toleranz kann auch nach dem Ende der Anwendung erhalten bleiben und sich sogar auf andere bakterizide Substanzen ausdehnen. Möglich ist auch eine Kreuzresistenz gegenüber Antibiotika, warnt Professor Dr. Günter Kampf von der Universitätsmedizin Greifswald. Wie wahrscheinlich die Toleranzentwicklung ist, hängt von der jeweiligen Substanz ab.

Gegen sieben von 15 häufig verwendeten bioziden Wirkstoffen haben Erreger nosokomialer Infektionen bereits eine starke (> 4-fache MHK) und stabile Toleranz ausgebildet.

Zur Händedesinfektion im Alltag reicht Alkohol

Unter der Exposition mit Benzalkoniumchlorid war dies bei 18 % der getesteten Spezies der Fall, mit Triclosan bei 14 % und bei Chlorhexidindigluconat in 10 %, schreibt der Krankenhaushygieniker nach einer Literaturrecherche. Sorgen bereitet ihm der hohe Anteil klinisch relevanter Erreger wie E. coli, Klebsiella pneumoniae, Staph. aureus und P. aeruginosa. Vor allem gramnegative Spezies können ihre Empfindlichkeit gegenüber den genannten Substanzen erheblich senken. Prof. Kampf plädiert deshalb dafür, biozide Additiva nur zu verwenden, wenn es im Vergleich zum Hauptwirkstoff (z.B. Alkohol) alleine einen Vorteil bringt.

Für die präoperative Hautantiseptik bei Patienten ist ein solcher Zusatznutzen beispielsweise für Chlorhexidindigluconat in Alkohol belegt. Es reduziert nachweislich die Rate an Wundinfektionen und das Auftreten katheterassoziierter Septikämien. In der Wundbehandlung haben Wasserstoffperoxid, Natriumhypochlorit und PVP-Jod das geringste Potenzial zur Toleranzbildung.

Starke und stabile Toleranz

  • nachgewiesen: Benzalkoniumchlorid, Chlorhexidingluconat, Silber, Octenidindihydrochlorid, Triclosan, Polihexanid (vglw. geringes Ausmaß), Didecyldimethylammoniumchlorid (DDAC)
  • keine bekannt: Ethanol, Isopropanol, n-Propanol, Natriumhypochlorit, Wasserstoffperoxid, PVPJod, Peressigsäure, Glutaraldehyd

Bei der alkoholischen Händedesinfektion rät Prof. Kampf, auf den Zusatz weiterer biozider Wirkstoffe zu verzichten. Denn unter Alltagsbedingungen wurde bisher für keine der Substanzen ein Effekt nachgewiesen, der über den des Alkohols hinausgeht. Sinnvoll ist dagegen der Zusatz von Hautpflegestoffen, um die Verträglichkeit z.B. bei häufiger Anwendung zu erhöhen. Für die Flächendesinfektion bieten Peroxide bzw. Natriumhypochlorit (große Flächen) und Alkohole (kleine Flächen) Vorteile. Die oft noch verwendeten quartären Ammoniumverbindungen, insbesondere Benzalkoniumchlorid, bergen hingegen ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Toleranzentwicklung.

Quelle: Kampf G. Epid Bull 2020; 39: 3-11 DOI: 10.25646/7062