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Folsäure gegen Spina bifida Bei hohem Risiko für Neuralrohrdefekt eine Hochdosisprophylaxe erwägen

Autor: Dr. Dorothea Ranft, Tobias Stolzenberg

Zweifel an der Sicherheit der Prophylaxe weckt eine nordeuropäische Kohortenstudie. Zweifel an der Sicherheit der Prophylaxe weckt eine nordeuropäische Kohortenstudie. © BazziBa‒ stock.adobe.com
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Eine hoch dosierte Folsäureprophylaxe ist Schwangeren nur in bestimmten Fällen zu empfehlen. Vorsicht ist vor allem bei Frauen mit Epilepsie geboten.

Dass eine Folsäuresupplementation bei werdenden Müttern die Häufigkeit embryonaler Neuralrohrdefekt mindert, belegen zahlreiche Studien. Besondere Bedeutung hat diese Prophylaxe bei vorausgegangener Schwangerschaft mit Neuralrohrdefekt. Auch bei Diabetes, einem BMI ≥ 30 oder dann, wenn die werdende Mutter Folsäureantagonisten wie bestimmte Antikonvulsiva einnimmt, ist das Risiko für die Fehlbildung erhöht. 

Hohe Folsäuredosis steigerte die Krebsgefahr

Zweifel an der Sicherheit der Prophylaxe weckt eine nordeuropäische Kohortenstudie. Die gesamte Kohorte umfasste knapp 3,4 Millionen Kinder mit einem medianen Alter von 7,3 Jahren nach Ende des Follow-ups. Unter den rund 28.000 Kindern von Müttern mit Epilepsie waren fast 6.000 einer hohen Folsäuredosis (im Durchschnitt 4,3 mg täglich) ausgesetzt gewesen. Diese trugen im Vergleich zum Nachwuchs ohne mütterliche Vorsorge ein fast dreimal so hohes Risiko für ein Malignom. Die absolute Gefährdung lag mit Exposition bei 1,4 %, ohne diese bei 0,6 %, berichten Dr. ­Håkon ­Vegrim von der Abteilung für Klinische Medizin an der Universität Bergen und Kollegen. Bei Kindern von Müttern ohne Anfallsleiden, die aber hoch dosiert Folsäure einnahme, war die Tumorrate hingegen nicht erhöht. 

In der Gesamtschau sind die Daten zum möglichen Zusammenhang von perikonzeptioneller Zufuhr von Folsäure und Krebs allerdings ziemlich widersprüchlich, erklären Wissenschaftler um ­Erin ­Dwyer vom Department of Obstetrics and Gynecology and Urology an der University of Washington in Seattle. Sie plädieren für den Einsatz der minimalen effektiven Dosis. 

Ihrer Einschätzung nach dürfte in den meisten Fällen die Standarddosierung von 0,4 mg/d genügen, um die Gefahr eines Neuralrohrdefekts beim Kind zu reduzieren. Die Einnahme sollte mindestens drei Monate vor Beginn der Schwangerschaft starten und bis zur 12. Woche fortgeführt werden. Ist die Gefahr für einen Neuralrohrdefekt hoch, empfiehlt es sich, dass der Arzt das individuelle Fehlbildungsrisiko sowie die Vor- und Nachteile höherer Folsäure­mengen mit seiner Patientin erörtert.

Anders sieht die Situation aus, wenn in einer vorangegangenen Schwangerschaft bereits ein Neuralrohrdefekt aufgetreten ist. Für diese Fälle ist der Nutzen von 4 mg/d Folsäure gut durch eine randomisierte Studie belegt, schreiben ­Dwyer und Kollegen. Ebenfalls gerechtfertigt sind ihrer Ansicht nach höhere Dosierungen, wenn die Frau Folsäure­antagonisten einnimmt. 

Hat man die Prophylaxe mit 4–5 mg Folsäure pro Tag gestartet,  kann man nach der 12. Schwangerschaftswoche auf eine niedrigere Dosierung (0,4 mg/d) wechseln. Sinnvoll ist die Dosisreduktion auch, wenn es nach sechs bis acht Monaten noch nicht zu einer Schwangerschaft gekommen ist. Parallel sollte stets der Folsäure­status kontrolliert werden. 

Derzeit ist das Problem aber ein anderes, so die Autoren: Viele Frauen mit Kinderwunsch und erhöhtem Risiko für Neuralrohrdefekte nehmen gar keine Folsäure ein, obwohl deren Nutzen außer Frage steht. Ihnen sollte man die Supplementation vor der Konzeption und in der Frühschwangerschaft unbedingt ans Herz legen.

Quellen:
1.    Vegrim HM et al. JAMA Neurol 2022;  DOI: 10.1001/jamaneurol.2022.2977
2.    Dwyer ER et al. BMJ 2022; 377: e067728; DOI: 10.1136/bmj-2021-067728