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Herz-Kreislauf-Stillstand Bei weniger als 30 °C Körpertemperatur Vorsicht mit Defibrillator und Adrenalin

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Bei einer Reanimation im Gebirge nach Herz-Kreislauf-Stillstand, sollten in einigen Situationen besondere Regeln befolgt werden. (Agenturfoto) Bei einer Reanimation im Gebirge nach Herz-Kreislauf-Stillstand, sollten in einigen Situationen besondere Regeln befolgt werden. (Agenturfoto) © New Africa – stock.adobe.com
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Kommt es in den Bergen zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand, gibt es bei der Wiederbelebung einige Besonderheiten zu beachten. In bestimmten Situationen sollte man vom Standard-Reanimationsalgorithmus abweichen.

Hypothermie

Die sogenannte akzidentelle Hypothermie ist durch einen Abfall der Körperkerntemperatur (KKT) unter 35 °C definiert. Allerdings ist die Temperaturmessung außerklinisch oft ungenau, und die üblicherweise herangezogenen Kriterien für Unterkühlung wie Muskelzittern können auch andere Ursachen haben, etwa Begleitpathologien oder Medikamente, schreibt ein Autorenteam um ­Sebastian ­Weber vom Bundeswehrkrankenhaus Ulm.

Die Wahrscheinlichkeit für einen hypo­thermiebedingten Kreislaufstillstand im alpinen Gelände sollte man daher besser anhand der Vigilanz des Verunglückten einschätzen. Bei einem wachen und ansprechbaren Patienten ist das Risiko niedrig bis moderat. Hoch ist es, wenn der Betroffene zwar noch Vital­zeichen aufweist, aber nur noch auf Schmerzreize reagiert.

Es ist häufig schwierig, ein Kreislaufversagen bei unterkühlten Menschen festzustellen. Die Autoren empfehlen daher, zur Sicherheit mindestens eine Minute lang nach Lebenszeichen zu suchen und – sofern möglich – technische Geräte zu nutzen. Totenflecken und ­Rigor ­mortis sind bei Hypothermie keine geeigneten sicheren Todeszeichen. 

Das Verhältnis von Thoraxkompressions- und Beatmungsrate unterscheidet sich mit 30:2 nicht vom Vorgehen bei normothermen Personen. Im Fall von Kammerflimmern und einer KKT < 30 °C soll die Defibrillation nach drei erfolglosen Versuchen bis zu einem Anstieg auf > 30 °C verzögert werden. Denn die Wahrscheinlichkeit für einen stabilen Rhythmus mit ausreichendem kardialem Auswurf liegt < 30 °C KKT zu niedrig, die Gefahr für defibrillationsbedingte Myokardschäden ist hingegen hoch. Bei einer Temperatur < 30 °C raten die Autoren von der Gabe von Medikamenten wie Adrenalin oder Amiodaron ab. Im Bereich zwischen 30–35 °C sollte das Applikationsintervall für Adrenalin auf 6–10 min verdoppelt werden.

Für den längeren Transport oder in schwierigem Gelände raten Weber und Kollegen zu mechanischen Reanimationshilfen. Falls diese nicht verfügbar sind, ist auch eine intermittierende Wiederbelebung möglich. Bei Patienten mit eindeutig hypothermiebedingtem Herz-Kreislauf-Stillstand und einer KKT < 28 °C kann nach fünfminütiger Reanimation eine ebenso lange Pause für andere Rettungsmaßnahmen eingelegt werden. Bei einer KKT < 20 °C ist sogar eine zehnminütige Unterbrechung möglich.

Hypotherme Patienten mit Kreislaufstillstand sind zur Wiedererwärmung primär in ein Krankenhaus mit der Möglichkeit zum extrakorporalen ­Life ­Support (ECLS) zu bringen. Wenn die Verkühlung bereits vor dem Kreislaufversagen oder der Asphyxie bestand, haben die Betroffenen gute Chancen für ein Überleben ohne neurologische Schäden. Denn der Sauerstoffbedarf des Gehirns sinkt pro 1 °C KKT um 6–7 %. 

Für die Prognose nach einer Lawinenverschüttung ist die Asphyxie von entscheidender Bedeutung. 75 % aller Lawinentoten sind infolge Sauerstoffmangels gestorben, 25 % an Verletzungen, nur etwa 1 % an Unterkühlung. Dabei spielt der Zeitfaktor eine wichtige Rolle: Nach 15–18 min sinken die Überlebens­chancen drastisch ab. Eine rasche Bergung durch Kameraden kann die Wahrscheinlichkeit einer Rettung im Vergleich zur organisierten Hilfeleis­tung vervierfachen. 

Die Reanimation mit fünf Atemstößen beginnen

Sobald der Verschüttete erreicht ist, müssen Gesicht und Atemwege befreit werden. Noch während der übrige Körper ausgegraben wird, sollte die Wiederbelebung starten.

Bei einer Verschüttungsdauer unter 60 Minuten – dann liegt die KKT ≥ 30 °C – erfolgt über mindestens 20 min die Reanimation, wie sie auch für normotherme Menschen üblich ist. Allerdings sollte man initial mit fünf Atemstößen starten, weil Asphyxie der wahrscheinlichste Grund für den Herz-Kreislauf-Stillstand ist. Bei Personen, die ≥ 60 Minuten unter dem Schnee lagen und deren Kreislauf funktioniert, ist eine Unterkühlung wahrscheinlich.

Liegt ein Herzstillstand bei freien Atemwegen vor oder finden sich Hinweise auf eine Atemhöhle, ist von Hypothermie auszugehen. In diesem Fall ist die Wiedererwärmung in einer Klinik mit der Möglichkeit zur ECLS angezeigt. 

Blitzschlag

Auch die Reanimation unterkühlter Blitzschlagopfer erfolgt nach dem üblichen Schema. Im alpinen Gelände handelt es sich in der Regel um kardial gesunde jüngere Menschen. Die Rückkehr eines Spontankreislaufs kann dem Wiedereinsetzen der Atmung vorausgehen. Denn durch den Blitzschlag kommt es häufig zur Lähmung des zentralen Atemregulationszentrums, was auch die Ursache für den ­hypoxischen Kreislaufstillstand sein kann. Um einen sekundären Herzstillstand infolge eines Sauerstoffmangels zu verhindern, kann eine längere Reanimation erforderlich sein. Aufgrund von Verbrennungen oder Schwellungen sowie Mittelgesichts- und Halsverletzungen kann der Atemweg verlegt sein. 

Sofort reanimierte Blitzschlag­opfer haben recht gute Überlebens­chancen bei gutem Erhalt der neuro­logischen Funktionen. Patienten ohne Herzstillstand, aber mit Veränderungen in EKG oder Echokardiogramm sollten für mindestens 24 Stunden telemetrisch überwacht werden.

Quelle: Weber S et al. Flug u Reisemed 2023; 30: 23-28; DOI: 10.1055/a-2003-9092