
Risiko-Duo Herz und Niere im Fokus Chronische Nierenerkrankung verschärft Herz-Kreislauf-Risiken – und umgekehrt

Die medikamentöse Behandlung bei chronischer Nierenkrankheit und gleichzeitiger Herz-Kreislauf-Erkrankung erfordert mehr als Routine. Wirkstoffwahl, Dosierung und die Kombination der verschiedenen Substanzen müssen individuell abgestimmt sein, je nach Organstatus und Risikoprofil.
Menschen mit chronischer Nierenerkrankung (Chronic Kidney Disease, CKD) haben ein erhöhtes Risiko für koronare Herzkrankheit (KHK), Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen und plötzlichen Herztod. Liegen neben dem Nierenschaden bereits manifeste kardiovaskuläre Erkrankungen vor, verschlechtert sich die Prognose der Betroffenen noch einmal deutlich. Allein diese Tatsache zeigt, dass CKD und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in enger Verbindung zueinander stehen, erläutert eine Autorenteam um Prof. Dr. Katharina Marx-Schütt von der Universitätsklinik der RWTH Aachen. Tatsächlich teilen sich beide Krankheitsbilder neben Risikofaktoren wie Diabetes, Hypertonie oder Hyperlipidämie auch die pathophysiologischen Mechanismen, erläutert die Gruppe. Dazu zählen:
- Inflammation mit resultierender Dysfunktion des Endothels
- Hypervolämie
- oxidativer Stress
- Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS)
- hämodynamische Veränderungen
- Vorhandensein urämischer Toxine
Betroffene mit KHK, Herzinsuffizienz und anderen kardiovaskulären Erkrankungen sollten zunächst auf ihre Nierenfunktion hin untersucht werden. Das geschieht durch die Bestimmung der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) und des Albumin-Kreatinin-Quotienten im Urin (Urine Albumin Creatinin Ratio, UACR). Die Behandlung unterscheidet sich je nach Ausmaß der CKD und dem Typus der Herz-Kreislauf-Erkrankung.
Für die Vorhersage des kardiovaskulären Risikos muss man wissen, dass die gängigen Instrumente zur Risikoberechnung die Nierenfunktion meist außen vor lassen, erläutern Prof. Marx-Schütt et al. Das Risiko wird also möglicherweise deutlich unterschätzt.
Liegt neben der Herz-Kreislauf-Erkrankung eine Nierenfunktionsstörung vor, gilt es zunächst, kardiovaskulär bedingte Risiken wie Blutdruck, Glukose- und Blutfette bestmöglich unter Kontrolle zu bringen. Bei mäßig bis starker CKD und einer eGFR > 30 ml/min/1,73 m2 sollte laut ESC*-Leitlinie der systolische Blutdruck 120–129 mmHg betragen, sofern toleriert. Beim HbA1c werden die bestmöglichen Werte angestrebt – sogar < 7,0 %, falls sich das ohne Hypoglykämien erreichen lässt. Als Ziel für das LDL-Cholesterin gilt bei Niereninsuffizienz Grad 3 < 70 mg/dl. Bei Grad 4 oder 5 sind es ohne Dialyse < 55 mg/dl, wobei der Spiegel um mindestens 50 % des Ausgangswerts sinken soll.
Studiendaten bestätigen bei Nierenkranken die deutliche Risikoreduktion für kardiovaskuläre Krankheiten durch mehrere Medikamente:
- SGLT2-Inhibitoren
- GLP1-Rezeptoragonisten wie Semaglutid
- Mineralkortikoid-Rezeptorantagonisten (MRA), z. B. Finerenon
Als Standardmedikation bei kardiovaskulären Erkrankungen und per Screeninguntersuchung festgestellter Niereninsuffizienz ohne Dialysepflichtigkeit nennt die Autorengruppe:
- Statine
- RAAS-Inhibitoren (ACE-Hemmer und Sartane)
- SGLT2-Inhibitoren
Die ergänzende, spezifische Therapie richtet sich nach der vorliegenden kardiovaskulären Erkrankung:
- Acetylsalicylsäure bei KHK
- Antikoagulanzien bei Vorhofflimmern
- Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI, statt ACE-Hemmer) plus Betablocker plus MRA bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF)
- Finerenon bei Herzinsuffizienz mit erhaltener oder mäßig reduzierter Ejektionsfraktion (HFpEF bzw. HFmrEF)
Liegt zudem ein Diabetes vor, wird die Standardmedikation um Semaglutid ergänzt, schreiben Prof. Marx-Schütt et al. Als spezifische Medikation kann Finerenon zudem bei KHK plus Vorhofflimmern angezeigt sein.
* European Society of Cardiology
Quelle: Marx-Schütt K et al. Eur Heart J 2025; 46: 2148-2160; DOI: 10.1093/eurheartj/ehaf167