Im Senium intim bleiben Psychische Krankheiten stören die Sexualität im Alter

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Sexualität hat auch in höherem Lebensalter großen Einfluss auf das Wohlbefinden. Deshalb sollte man Störungen erfragen und ggf. behandeln. Sexualität hat auch in höherem Lebensalter großen Einfluss auf das Wohlbefinden. Deshalb sollte man Störungen erfragen und ggf. behandeln. © oneinchpunch – stock.adobe.com

Psychische Erkrankungen beeinflussen das Iintimleben älterer Menschen massiv. Studien zeigen: Depression, Angst oder Psychosen führen oft zu sexuellen Funktionsstörungen – mit gravierenden Folgen für die Lebensqualität.

Die Sexualität von Seniorinnen und Senioren wird in der Medizin oft nicht beachtet oder sogar stigmatisiert. Doch auch im Alter gilt: Es gibt eine Wechselwirkung zwischen der psychischen Gesundheit und dem Liebesleben. Dieses sollte daher ein Thema in der gerontopsychiatrischen Versorgung sein. Mit steigendem Alter wächst die Gefahr von psychischen  Störungen, die sich wiederum negativ auf die sexuelle Gesundheit auswirken. Prof. Dr. Birgitta Sträter von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, Köln, und PD Dr. Friederike Schröck vom Universitätsklinikum Bonn betonen, dass generell bei Älteren eine sexuelle Dysfunktion in Anamnese und Therapie zu berücksichtigen ist. Außerdem sollten vor einer Medikamentenverordnung Nutzen und Risiko gegeneinander abgewogen werden, also z. B. die Gefahr bedrohlicher Exazerbationen und Rückfälle der psychischen Erkrankung gegen Nebenwirkungen wie sexuelle Funktionsstörungen.

Um die Wechselwirkungen zwischen psychischer und sexueller Gesundheit genauer zu erforschen, führten die Wissenschaftlerinnen eine selektive Literaturrecherche durch. In ihre Auswertung schlossen sie Studien zu fünf psychiatrischen Krankheitsbildern ein, die bei Älteren häufig auftreten – von der Depression bis zur Angsterkrankung. Veränderungen im Zusammenhang mit demenziellen Störungen blieben unberücksichtigt. 

Eine besondere Belastung stellt  die Depression dar: Laut einer globalen Studie leiden 4,5 % der über 60-Jährigen an einer schweren depressiven Episode. Tendenz steigend, bei Männern rascher als bei Frauen. Etwa 30 % der mit Antidepressiva behandelten Älteren setzen diese Wirkstoffe eigenmächtig ab. Ein häufiger Grund ist die v. a. durch SSRI und SNRI ausgelöste sexuelle Dysfunktion. 70 % der Behandelten berichten Libidoverlust, Erektionsstörungen und Probleme mit dem Orgasmus. Wenn diese Einbußen erkannt werden, hilft evtl. schon die Umstellung auf eine Substanz mit anderem Nebenwirkungsprofil. 

An einer Angsterkrankung leiden 17 % der Älteren, betroffen sind vor allem Frauen. Behandelt werden auch sie mit SSRI und SNRI – entsprechende sexuelle Nebenwirkungen inklusive. Außerdem nimmt mit zunehmender Angstsymptomatik die sexuelle Aktivität ab. Männer entwickeln häufig eine Leistungsangst und leiden an vorzeitiger Ejakulation ohne begleitende erektile Dysfunktion. Die generalisierte Angststörung geht mit einem verminderten sexuellen Verlangen einher. 

Somatoforme Störungen treten bei Seniorinnen und Senioren öfter auf als bei Jüngeren (63 % vs. 45 %) und verlaufen schwerer. Das Krankheitsbild ist eng mit einer sexuellen Beeinträchtigung verbunden. Eine Studie mit 2.833 Personen ergab, dass Menschen mit höheren Werten in der Skala für somatisierte Angstsymptome (MHQ-S) signifikant häufiger eine allgemeine Beeinträchtigung des Sexuallebens berichteten. Diese umfasste unter anderem Erektionsprobleme, vermindertes Verlangen und verringerte Kohabitationsfrequenz. Außerdem fiel ein Zusammenhang zwischen Körpersymptomen, reduzierten Testosteronwerten und Hypogonadismus-Zeichen auf.  
Psychotische Symptome finden sich mit einem Anteil von bis zu 10 % bei Älteren ohne Demenz relativ häufig. Es mangelt jedoch an Studien zur Assoziation mit sexuellen Funktionsstörungen in den höheren Altersklassen. Generell weiß man aber, dass komorbide sexuelle Dysfunktionen sehr häufig sind. Eine Metaanalyse ergab eine Gesamtprävalenz von 56,4 %. 

Posttraumatische Belastungen sind wohl unterdiagnostiziert

An einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden laut einer Schweizer Studie Seniorinnen und Senioren eher selten (0,4 %), auch die komplexe PTBS kommt nur auf 2,4 %, beide sind aber eventuell unterdiagnostiziert. Die Autorinnen plädieren dafür, Ältere darauf zu untersuchen, da die PTBS vielfach mit Komorbiditäten einhergeht, was die sexuelle Funktion beeinträchtigen kann. Für ältere Frauen ist dies nicht zuletzt hinsichtlich erlebter sexualisierter Gewalt z. B. in der (Kriegs- und) Nachkriegszeit von Bedeutung, allerdings auch oft schambesetzt.

Die Autorinnen schlussfolgern, dass die sexuelle Gesundheit auch in der gerontopsychiatrischen Versorgung ein wichtiger Punkt ist, der systematisch einbezogen werden sollte. Im Fall schwerer psychischer Erkrankungen können strukturierte Gesprächsangebote sinnvoll sein. Sie tragen zur Entstigmatisierung und Förderung von Schutzfaktoren wie  Beziehungsqualität oder positivem Selbstbild bei.

Quelle: Sträter B, Schröck F. Z Gerontol Geriat 2025; 58: 373-376; doi: 10.1007/s00391-025-02463-z