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Rheuma Den unterdrückten Vagus reizen

DGRh 2023 Autor: Dr. Sonja Kempinski

Mit regelmäßigem Yoga kann man den Parasympathikus auch ohne Gerät stimulieren. Mit regelmäßigem Yoga kann man den Parasympathikus auch ohne Gerät stimulieren. © Yakobchuk Olena – stock.adobe.com
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In Studien konnte die Vagusnervstimulierung schon bei einigen rheumatologischen Erkrankungen Erfolge zeigen. Doch noch steckt dieses therapeutische Prinzip in den Kinderschuhen.

Idealerweise befindet sich das vegetative Nervensystem im Gleichgewicht, erklärte PD Dr. Olga­ Seifert­ von der Universitätsklinik Leipzig. Bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen überwiegt jedoch der Sympathikus. Diese autonome Dysbalance ist offenbar nicht das Ergebnis der chronischen Entzündung, sondern ein früher Befund. In einer Studie von 2016 hatte man bei Gesunden, Menschen mit Arthralgien und Verdacht auf rheumatoide Arthritis (RA) und bei RA-Patienten zur Einschätzung des vegetativen Nervensystems die Herzratenvariabilität gemessen. Sowohl die Patienten mit Arthralgien als auch diejenigen mit manifester RA wiesen im Vergleich zu den Gesunden deutliche Veränderungen der parasympathischen Aktivität auf. 

Da liegt es nahe, das parasympathische System zu beeinflussen. Bis zu einem gewissen Grad gelingt das mit der antirheumatischen Therapie. Biologika konnten in Studien die parasympathische Aktivität bei RA-Patienten verbessern, konventionelle DMARD allerdings nicht. 

Vagusnervstimulation senkt Zytokinproduktion

Eine weitere Möglichkeit ist die direkte Vagusnervstimulation (VNS) mit elektrischen Impulsen. Diese wurde 1988 entwickelt und ist seit Jahren in verschiedenen Formen gegen Epilepsie und therapieresistente Depression im Einsatz. Offenbar wirkt die VNS auch bei rheumatischen Erkrankungen, führte Dr. Seifert weiter aus. So senkte sie in verschiedenen Studien die Produktion inflammatorischer Zytokine (TNF, IL-6, IL-1b) signifikant. Auch klinisch konnte ein Effekt nachgewiesen werden. In einer Studie mit RA-Patienten reduzierte die VNS bei Betroffenen mit hoher Krankheitsaktivität den DAS28-CRP signifikant. Per MRT zeigte sich in einer weiteren Untersuchung, dass eine Vagusnervstimulierung die Progression von Erosionen in der Hand reduzierte oder sogar stoppte.

Brust oder Ohr

Der Vagusnerv lässt sich auf verschiedene Weisen stimulieren. Bei den invasiven Techniken implantiert der Operateur ein Stimulationsgerät im Brustbereich unter die Haut. Über eine Elektrode ist es mit dem Nervus vagus verbunden und schickt über diesen regelmäßig elektrische Impulse an das Gehirn. Nicht-invasive, transkutane Vagusstimulatoren werden am Ohr befestigt und stimulieren den Parasympathikus über den Ramus auricularis nervi vagi.

Neben der RA gibt es in der Rheumatologie möglicherweise weitere Einsatzgebiete für die VNS: Sjögrenpatienten profitierten von ihr beispielsweise in puncto Fatigue. Und bei Patienten mit therapieresistenter Fibromyalgie besserten sich die Schmerzen nicht nur während der Therapie, der Effekt hielt auch monatelang an. 

Studien zur Wirksamkeit der VNS sind also vorhanden, und es wird weiter an dem Therapieprinzip geforscht. Für eine Übernahme in die klinische Routine ist das Verfahren allerdings noch nicht bereit, sagte Dr. Seifert. 

Besser keine Stimulation mit Geräten in Eigenregie

Was empfiehlt man aber Patienten, die ihren Parasympathikus dennoch aktivieren möchten? Von den verschiedenen frei verkäuflichen Geräten riet die Expertin ab. Zu groß sei die Gefahr, mit einer Selbstbehandlung unerwünschte Wirkungen hervorzurufen. Stattdessen empfahl Dr. Seifert Ausdauertraining und körperliche Übungen, die den Vagusnerv ebenfalls aktivieren können. Auch Yoga scheint einen stimulierenden Effekt auf den Parasympathikus zu haben: In einer Studie mit 166 RA-Patienten besserte es neben dem DAS28 auch die Herzfrequenzvariabilität der Patienten.

Quelle: Deutscher Rheumatologiekongress 2023