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Obstruktive Schlafapnoe Der AHI hat wohl bald ausgedient

ERS 2023 Autor: Manuela Arand

Bei Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe sollte man die Indikation für die CPAP-Therapie nicht allein am Apnoe-Hypopnoe-Index festmachen. Bei Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe sollte man die Indikation für die CPAP-Therapie nicht allein am Apnoe-Hypopnoe-Index festmachen. © Science Photo Library/PHANIE/GARO
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Ärzte und Patienten sind es gewohnt, die Schwere der obstruktiven Schlafapnoe am Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) festzumachen. Um valide Therapieentscheidungen treffen zu können, greift das aber zu kurz. 

Der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) ist kein guter Parameter, denn er korreliert kaum mit Symptomen und Folgeschäden der obstruktiven Schlafapnoe (OSA). Die Baveno-Klassifikation, vor zwei Jahren veröffentlicht, war ein Schritt weg von der rein am AHI orientierten Einteilung der OSA.1 Analog zur GOLD-Klassifikation der COPD  führte sie eine Vierfeldertafel ein. Anhand von klinischen Symptomen und dem Risiko für Endorganschäden wurden die OSA-Patienten in vier Gruppen eingeteilt. 

In Gruppe A mit wenigen Symptomen und geringem Risiko besteht gemäß der Klassifikation kein Therapiebedarf, in Gruppe D mit vielen Symptomen und hohem Risiko dagegen ein großer. Gruppe B und C mäandern dazwischen; bei ihnen müssen Arzt und Patient diskutieren, ob die OSA behandelt werden sollte oder nicht. Der AHI spielt für die Einteilung gar keine Rolle mehr. Er dient nur noch der Feststellung: Gibt es eine Schlafapnoe oder nicht? 

Dr. Sandhya­ Matthes­ vom Wissenschaftlichen Institut Bethanien in Solingen stellte ein neues, mit der European Sleep Apnea Database (ESADA) entwickeltes Modell vor. Es integriert wieder den AHI, verbessert zugleich die Baveno-Klassifikation und erleichert die praktische Umsetzung. „Wir brauchen etwas, das für die breite Masse von Ärzten und Patienten taugt“, so die Pneumologin.

Hohe Hypoxielast erfordert immer eine Behandlung

Ein Schritt war, die Abschätzung des kardiovaskulären Risikos den Vorgaben der European Society for Cardiology anzupassen und Patienten danach in drei Gruppen einzuteilen. Außerdem wird anerkannt, dass eine hohe Hypox­ämielast per se ein hohes Risiko darstellt. Also:

  • Patienten mit einem AHI ≥ 30/h benötigen eine Therapie unabhängig von Symptomen und kardiovaskulärer Risikoeinschätzung.
  • Dasselbe gilt für Patienten mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko unabhängig von AHI und Symptomatik.
  • Wer kaum Symptome zeigt, einen AHI < 30/h aufweist und ein niedriges kardiovaskuläre Risiko, braucht keine Behandlung.

Ob das Modell in der Praxis funktioniert, haben die Kollegen retro­spektiv anhand des ESADA-Registers überprüft. In ihm identifizierten sie rund 8.600 Patienten mit ausreichenden Daten, um die Baveno-Klassifikation und einen Score zur kardiovaskulären Risikoabschätzung   (SCORE2) zu ermitteln. 

Die neue Einteilung korrelierte ausnehmend gut mit diversen kardiovaskulären Risikoparametern wie Alter, Blutdruck, CRP und Nierenfunktion. Interessanterweise wurden auch mehr als die Hälfte der Patienten, die sich weder durch das kardiovaskuläre Risiko noch durch einen AHI > 30/h für eine CPAP** qualifizierten, mit dem Verfahren behandelt. Die Auswertung legte nahe, dass es trotzdem vor allem der AHI ist, der Kollegen zur CPAP-Verordnung veranlasst. Eine prospektive Studie ist geplant. 

Biomarker, welche die vegetative Response auf Arousals und Entsättigung abbilden, dürften sich besser als der AHI eignen, gefährdete Patienten zu identifizieren. Denn es geht nicht allein darum, Apnoen zu zählen, sondern vor allem deren komplexe Folgen abzubilden, erklärte Prof. Dr. Raphael­ Heinzer­, Universität Lausanne. Dass Dauer und Tiefe der nächtlichen Hyp­oxie sowie die Arousal­last mit dem kardio­vaskulären Outcome korrelieren, ist in den letzten Jahren immer wieder gezeigt worden. Das Schweizer Team widmet autonomen Reaktionen auf respiratorische Events in der Nacht besonderes Interesse und betrachtet den Abfall der Pulswellenamplitude (pulse wave amplitude drops, PWAD) nach dem Arousal als möglichen Marker. Er korreliert mit der peripheren Vasokonstriktion infolge einer Sympathikusaktivierung und lässt sich per Pulsoximeter messen. 

Nicht jeder profitiert von der CPAP-Beatmung

Der PWAD-Index, d.h. die Zahl der Amplitudenabfälle um mehr als 30 % pro Stunde, nimmt mit Schlaftiefe und Alter, aber auch bei kardiovaskulären Vorerkrankungen ab. Eine aktuelle Studie aus der HypnoLaus-Kohorte zeigt, dass Patienten mit schwerer OSA und niedrigem PWAD-Index ein deutlich erhöhtes kardiovaskuläres Risiko tragen.2 „Unsere Hypothese lautet, dass ein niedriger PWAD Zeichen der endothelialen Dysfunktion und gestörten Sympathikusfunktion ist und daher ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko anzeigt“, so Prof. Heinzer. Dafür spricht auch, dass die CPAP-Response mit dem PWAD korreliert: Patienten, deren Sympathikus noch flexibel reagiert, profitieren von der Maske, Patienten mit niedrigem PWAD nicht. 

Prof. Heinzer warnte allerdings davor, auf einen einzigen Biomarker zu setzen, um das individuelle Risiko eines OSA-Patienten zu ermitteln. Eine Markerkombination, zu der auch PWAD als Signal der autonomen Funktion gehören könnte, wird vermutlich valide Informationen liefern, muss aber prospektiv untersucht werden.

* European Respiratory Society
** continous positive airway pressure

Quelle: 1. Randerath WJ et al. ERJ Open Res 2021; DOI: 10.1183/23120541.00928-2020
2. Solelhac G et al. Am J Respir Crit Care Med 2023; 207: 1620-1632; DOI: 10.1164/rccm.202206-1223OC