
Longevity auf allen Kanälen Der Boom um die Langlebigkeit hält an

Viel bewegen, gesund ernähren, das Stresslevel reduzieren: Diese altbekannten Tipps für ein langes gesundes Leben werden gebetsmühlenartig immer wieder verbreitet. Doch warum erlebt dann Longevity einen solchen Boom und taucht in beinahe allen Medien auf? Dafür sind vermutlich mehrere Faktoren verantwortlich. Zum einen spielt das Bewusstsein für Gesundheit seit der Coronapandemie wieder eine größere Rolle. Außerdem weiß man seit einigen Jahren, dass die Gene weniger Anteil am Alterungsprozess haben als gedacht. Sie machen nur etwa 10–15 % aus, d. h., der zumindest in Teilen beeinflussbare Lebensstil hat entscheidenden Anteil. Milliardenschwere Unternehmer wie Jeff Bezos investieren deshalb Unsummen in Biotechfirmen, die lebensverlängernde Technologien entwickeln sollen. Und dank Künstlicher Intelligenz gibt es immer mehr erschwingliche Analyse- und Interventionsmöglichkeiten, um Körperfunktionen zu überprüfen und zu optimieren. Nicht zuletzt überschlagen sich im Internet und in den sozialen Medien Influencerinnen und Influencer sowie eine Reihe von Prominenten mit zündenden Ideen, die das Altern aufhalten sollen. Dabei geht es bei Longevity nicht allein darum, sehr alt zu werden, sondern das vor allem mit guter Gesundheit zu erreichen.
Der Alterungsprozess ist durch viele Faktoren gekennzeichnet
Fakt ist: Die Forschung zu Alterungsprozessen und wie sie sich aufhalten lassen, läuft auf Hochtouren. Auf molekularer und zellulärer Ebene ließ sich bereits eine Reihe von Faktoren ermitteln, die den Prozess kennzeichnen, darunter genomische Instabilität, der Schwund der Chromosomenschutzkappen (Telomere), nachlassende Autophagie und chronische Entzündungsprozesse. Viele dieser Punkte könnten einen Ansatz für Medikamente liefern.
Metformin, das altbekannte Diabetesmedikament, hat in Untersuchungen u. a. die Schädigungen der DNA verhindert und Reparaturvorgänge angestoßen, dem Telomerschwund entgegengewirkt und die Autophagie gefördert. Die Autophagie lässt sich auch durch das Immunsuppressivum Rapamycin steigern sowie ganz simpel durch Kalorienrestriktion bzw. Intervallfasten. Als vielversprechend in puncto Longevity gelten zudem GLP1-Rezeptoragonisten. Sie sollen z. B. durch ihren positiven Einfluss auf die Insulinsensitivität, ihre neuroprotektiven Eigenschaften und ihren Schutz vor kardiovaskulären Erkrankungen Alterungsprozesse aufhalten und für ein längeres gesundes Leben sorgen.
Ob sich die erhofften oder bisher ermittelten Auswirkungen von Medikamenten tatsächlich auf lange Sicht bewahrheiten würden, lässt sich aber kaum beantworten. Dafür müssten sie auch junge gesunde Menschen über lange Zeit einnehmen, was sich alleine schon aufgrund der Nebenwirkungen verbietet. Was die im Netz kursierenden diversen Angebote für Interventionen, die jung halten sollen, z.B . hyperbarer Sauerstoff oder Infusionen mit verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln, angeht, kann keines mit echter Evidenz für verjüngende Effekte aufwarten.
Im Fokus der Forschung stehen auch die Blue Zones, also Regionen in der Welt, in denen die Menschen besonders alt werden, wie im japanischen Okinawa oder auf Sardinien. Zwar kommen immer wieder Zweifel an der Richtigkeit der demografischen Daten auf, nichtsdestotrotz bleibt die hohe Lebenserwartung dort unbestritten. Untersuchungen haben folgende Gemeinsamkeiten der Zonen gezeigt:
- eine vorwiegend pflanzenbasierte Ernährung
- niedriger Konsum von Alkohol und Tabak
- regelmäßige körperliche Bewegung
- starke soziale Bindungen und regelmäßiger Stressabbau
Von Menschen aus Okinawa weiß man, dass sie zudem auf eine gedrosselte Zufuhr von Kalorien achten und die Nahrungsaufnahme stoppen, wenn sie zu 80 Prozent satt sind – Stichwort positive Wirkung des Fastens. Insgesamt schließt sich also der Kreis und man landet doch immer wieder bei den altbewährten Tipps für ein langes gesundes Leben: gesund essen, viel bewegen und das psychische Wohlbefinden fördern.
Medical-Tribune-Bericht