Segeln statt rudern Die ersten Diabetescoaches DDG können mit ihren Klient*innen die Segel setzen

Autor: Nicole Finkenauer

Fahrt aufnehmen – mit einem Diabetes-coaching. Fahrt aufnehmen – mit einem Diabetes-coaching. © Christophe Baudot – stock.adobe.com

Es mangelt nicht an Wissen, das Know-how ist vorhanden – und trotzdem ist der Umgang mit dem Diabetes schwierig, der Weg, Therapieziele umzusetzen, ist voller Hindernisse. Diabetescoaches DDG können helfen. 

Seit Ende 2024 bietet die DDG für Diabetesberater*innen DDG mit Berufserfahrung die Fortbildung zum Diabetescoach DDG an. Die 15 Teilnehmenden des Pilotkurses haben viel gelernt, auch über sich selbst – und genau das ist auch so gewollt, erzählt Kathrin Boehm, VDBD-Vorsitzende und berufsfachliche Leiterin der DDG Weiterbildungen an der Diabetes-Akademie Bad Mergentheim, die neben Angelika Deml (u. a. Bildungsreferentin an der Katholischen Akademie für Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen in Bayern, Regensburg) auch eine der Kursleiterinnen ist.

Beide sind Diabetesberaterinnen DDG, Mitglieder im Ausschuss QSW der DDG und haben den Kurs mitentwickelt. Die Idee für eine Fortbildung Diabetescoach DDG rührt von einer Ausbildung zum systemischen Coach, die sie beide absolviert haben. Die Methoden, die dort vermittelt wurden, hielten sie auch geeignet für Diabetesberater*innen – „weil wir denken, dass es gerade für die komplexe Erkrankung Diabetes Wege braucht, um Patient*innen ins Selbstmanagement zu bringen“, so Boehm.

Das Zertifikat der DDG macht den Unterschied

Für wen kommt ein Diabetescoaching infrage? Für Menschen mit Typ-2-Diabetes gehe es oft um Verhaltensveränderungen wie mehr Bewegung oder Gewichtsreduktion. Im Coaching, sagt Boehm, wird dann hinterfragt: „Warum möchte ich abnehmen – nur weil der Arzt das sagt? Warum möchte ich es selbst?“ Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes stehe häufig Perfektionismus im Fokus: „Warum achte ich auf jeden Wert? Warum gucke ich dauernd auf mein CGM?“ Das Coaching könne helfen, die dahinterliegenden Ängste oder Überzeugungen zu erkennen.

Die Teilnehmenden des Pilotkurses kommen aus ganz Deutschland und für ca. die Hälfte hat der Arbeitgeber den Kurs finanziert, sagt  Boehm. Diabetolog*innen versprechen sich von Mitarbeitenden, die einen erweiterten Zugang zu den Patient*innen finden, dass z. B. für sie selbst die Gespräche nicht mehr so herausfordernd sind.

Angebote für Diabetescoachings gibt es schon länger, aber der Begriff ist nicht geschützt. Deshalb wurde eine strukturierte, modulare Fortbildung entwickelt, bei der klar ist, welche Ausbildung die Coaches haben und wie ein Coaching abläuft.

Selbstreflexion: essenziell, um gut coachen zu können

Auch Manuela Gallenz, selbstständige Diabetesberaterin aus Forchheim-Hausen in Oberfranken, begrüßt es, dass sie durch ein Zertifikat ihre Kompetenzen im Coaching-Bereich nachweisen kann. Aus Neugier und weil sie sich immer weiterentwickeln möchte, hat sie sich für den Pilotkurs entschieden – und ihre Teilnahme nicht bereut, und zwar auch, weil sie über sich selbst viel gelernt hat. „Das waren sehr intensive Monate für mich – das hatte ich so nicht erwartet.“ Denn die Methoden – z. B. Fragetechniken zur Ressourcenerkennung, das GROW-Modell (Goal – Reality – Options – Will) und lösungsorientiertes Kurzzeitcoaching – werden im Kurs an eigenen, persönlichen Themen ausprobiert. Diese Selbstreflexion sieht Gallenz als essenziell an: „Ohne diese Basis würde man wahrscheinlich kein guter Coach werden können.“

Ein zentraler Lerninhalt, die systemische Fragetechnik, ist für sie besonders wichtig: „Für mich war es die erste große Herausforderung, immer diese starken Fragen zu finden“, berichtet sie. „Es war für uns im Kurs ein Aha-Effekt, als wir gemerkt haben: Wenn wir die richtigen Fragen stellen, ist die Lösung auch schon sehr nah.“ Bisher sei sie in der Beratung häufig „um eine Sache gekreist, die aber am Ende gar nicht das Problem war.“ Boehm findet für den Unterschied einen starken Vergleich: „Früher bin ich für einen Patienten gerudert, jetzt segele ich mit ihm.“ Die Gespräche werden effektiver, weniger kraftaufwendig – die gecoachte Person ist diejenige, die ins Handeln kommen muss, der Coach selbst kann und muss sich mehr zurücknehmen.

Wie setzt die erfahrene Diabetesberaterin Gallenz das Gelernte ein? Derzeit vor allem in der Diabetesberatung. „Ich glaube nicht, dass ich vorher viel anders gearbeitet habe, aber dadurch, dass ich mich jetzt besser reflektiere und das Gegenüber anders wahrnehme, besteht eine ganz andere Basis.“ Coachings durchführen – dafür gab es bis jetzt wenig Gelegenheit, vor allem aus Zeitmangel. Anderen Teilnehmenden gehe es ähnlich. 

Kathrin Boehm bestätigt, dass sich das Coaching in den Praxen noch entwickeln muss, dass z. B. die Praxisinhaber*innen erst noch richtig wahrnehmen müssen, was der Unterschied zwischen Diabetescoaching und Diabetesberatung ist. Sie kann sich vorstellen, dass Diabetescoaching als IGeL angeboten wird, und in Baden-Württemberg gebe es schon eine Beratungsziffer, über die man unabhängig von Schulungsterminen einmal im Quartal 45 Minuten oder dreimal 15 Minuten abrechnen kann.

Ein Schritt hin zur Etablierung des Diabetescoaches könnte sein, das Konzept wissenschaftlich zu untermauern. In einer Studie soll geschaut werden, ob sich durch die Intervention die Diabetesbelastung verringert hat.

Der Coach als Hebamme, nicht als Dauerbegleitung

Ein Coaching dauert ca. 60 bis 90 Minuten und ist ausschließlich gedacht als temporäre Begleitung für besondere Belastungssituationen bzw. Themen. Daher gibt es eine ganz klare Abgrenzung zur Psychotherapie.Wo diese Grenze zu setzen ist, wird ebenfalls im Kurs besprochen.

„Der Coach geht mit der Haltung rein, dass sein Gegenüber alle Fähigkeiten besitzt, eine Lösung für sich zu finden. Es geht darum, ein Problem oder eine Situation zu reflektieren und sich dabei seiner eigenen Ressourcen bewusst zu werden und damit das Problem oder die Situation für sich zu lösen“, so Boehm. Auch den Klient*innen müsse klar sein, dass der Coach eine „Hebammenfunktion“ hat und nicht dauerhaft begleitet. „Wenn wir als Coaches gut arbeiten, dann heißt das, dass wir uns sehr schnell überflüssig machen, weil die Klient*innen wieder selbst ins Tun kommen“, betont Boehm.

Wie läuft ein Diabetescoaching konkret ab? Hören Sie rein in die Podcast-Folge mit Angelika Deml auf diabetes-anker.de/podcast 

Der Weg zum Diabetescoach

Die Fortbildung zum Diabetescoach DDG ist für Diabetesberater*innen DDG mit fünfjähriger Berufserfahrung gedacht und umfasst 240 Stunden, aufgeteilt in Theorie, Praxis und Selbstlernzeit. Neben Präsenz- gibt es Live-Online-Unterricht.
www.ddg.info/ddg-akademie/fuer- gesundheitsfachkraefte/diabetescoach-ddg

Quelle: Medical-Tribune-Bericht