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Nahrungsmittelallergie Die wichtigsten Schritte zur Diagnose

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Allergische Reaktionen nach dem Genuss von Erdnüssen, Kuhmilch und eierhaltigen Produkten sind typisch für das Kindesalter. Allergische Reaktionen nach dem Genuss von Erdnüssen, Kuhmilch und eierhaltigen Produkten sind typisch für das Kindesalter. © stock.adobe.com/New Africa
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 Für die Diagnose einer Nahrungsmittelallergie  reichen manchmal schon Anamnese und Hauttest. Bei einer Kontraindikation für Letzteren ist die Messung des spezifischen IgE unverzichtbar. Goldstandard zur endgültigen Absicherung ist und bleibt die Provokation – entweder oral oder intestinal im Rahmen einer Endoskopie.

Am Gastrointestinaltrakt machen sich Nahrungsmittelal­lergien (NMA) vor allem mit Bauchschmerzen und Diarrhöen bemerkbar. Sie können aber auch andere unspezifische Beschwerden wie Nausea, Erbrechen und Flatulenz auslösen, schreibt Prof. Dr. Stephan Bischoff von der Universität Hohenheim in Stuttgart. Im Erwachsenenalter manifestiert sich die NMA meist in Form eines oralen Allergiesyndroms mit Schwellungen und Juckreiz oder Sensibilitätsstörungen an Lippen, Mund- und Rachenschleimhaut. An der Haut können Urtikaria, ­Quincke-Ödem, Flush und Juckreiz auf eine NMA hinweisen. Auch mit der Verschlimmerung einer atopischen Dermatitis ist zu rechnen. Außerdem zählen Nahrungsmittelallergien zu den häufigsten Ursachen für einen anaphylaktischen Schock.

Die Immunantwort ist meistens vom Soforttyp

Die immunologische Reaktion wird überwiegend durch definierte pflanzliche oder tierische Proteine ausgelöst. Im Kindesalter dominieren Erdnuss, Milch, Nüsse, Weizen, Eier und Soja. Erwachsene leiden vor allem an pollenassoziierten Nahrungsmittelallergien, die auf Ähnlichkeiten zwischen den Epitopen beruhen.

Häufige Kreuzallergien

Inhalationsallergen

Nahrungsmittelallergen

Baumpollen

Apfel, Pfirsich, Pflaume, Nektarine,
Kiwi, Kirsche, Birne, Mandel, Haselnuss,
Karotte, Sellerie, Soja

Beifußblättrige
Ambrosie (Pollen)

Wasser-, Cantaloupe- und Honigmelone,
Banane, Tomate, Gurke

Beifußpollen

Karotte, Sellerie, Kümmel, Petersilie,
Koriander, Anis, Fenchelsamen, Mango,
Weintraube, Litschi

Naturlatex

Banane, Avocado, Tomate, Ananas, Kiwi

nach C. Bischoff

 

Meistens handelt es sich um eine akute IgE-vermittelte Immunantwort. Bei milch- und soja­proteininduzierten Enteropathien spielen auch verzögerte Immunantworten eine Rolle.

Die Diagnose beruht bei Nahrungsmittelallergien mit gastrointestinaler Manifestation primär auf dem Ausschluss anderer Erkrankungen mit ähnlichem Symptombild, vom Reizdarm bis zum Malignom. Potenziell auslösende Allergene lassen sich oft schon mit einer sorgfältigen Ana­m­nese identifizieren. Ein einzelnes Nachweisverfahren (IgE- bzw. Hauttest) kann genügen, um die Sensibilisierung zu belegen.

Differenzialdiagnosen

  • Reizdarmsyndrom
  • intestinale Dysbiose
  • chronische Darm­erkrankungen (entzündlich, infektiös)
  • Malignome
  • andere Allergien (Haut, Respirationstrakt)
  • Intoleranzen (Nahrungsmittel, Histamin)

Der klassische Pricktest arbeitet mit kommerziellen Extrakten und der Prick-to-Prick-Test mit nativen Allergenen. Beide liefern innerhalb von 20 Minuten ein Ergebnis. Sie können aber bei Hauterkrankungen im Testgebiet oder einer Urticaria factitia nicht angewendet werden. Antihistaminika sind zwei Wochen vorher abzusetzen. Außerdem besteht eine relative Kontraindikation für Patienten mit schwerer anaphylaktischer Reaktion auf das geprüfte Nahrungsmittel.

Ein Nachteil kommerzieller Extrakte ist die fehlende Standardisierung des Aller­gengehalts, was sich besonders bei Obst und Gemüse negativ auswirkt. Deshalb soll­ten Reaktionen auf diese beiden Kom­ponenten bevorzugt durch einen Prick-to-Prick-Test mit frischen Nahrungsmitteln erfasst werden. Diese Methode ist zwar sensitiver, aber auch unspezifischer. Deshalb raten die Autoren, positive Resultate mit IgE-Messungen zu verifizieren.

Die Kontrolle des Gesamt-IgE ermöglicht oft keine Differenzierung zwischen gesund und krank. Denn viele Patienten mit NMA haben normale Werte (< 100 kU/l). Erhöhte Spiegel machen die Diagnose zwar wahrscheinlicher, können sie aber nicht sichern. Eine Kontrolle wird dennoch empfohlen, weil sie die Interpretation des spezifischen IgE-Werts erleichtert.

Die Messung des spezifischen IgE hat dagegen einen hohen Stellenwert. Sie ist bei positiver Anamnese und Kontraindikationen für Hauttests unverzichtbar. Die Auswahl richtet sich nach der individuellen Vorgeschichte, von einem ungezielten Screening rät Prof. Bischoff ab. Inzwischen gibt es Kombinationstests mit sechs Antigenen, die 90 % der Nahrungsmittelallergien erfassen (z.B. Hühnereiweiß, Milchprotein, Fisch, Weizenmehl, Erdnuss und Sojabohne). Allerdings wird nur eine Sensibilisierung nachgewiesen, keine Erkrankung. Bei Patienten mit erhöhtem Gesamt-IgE und der Verwendung von gut standardisierten, stabilen Extrakten wie beispielsweise Milch, Ei, Fisch, Erdnüssen sind die spezifischen IgE-Tests sehr zuverlässig und sogar quantitativ auswertbar.

Eliminationsdiät für maximal zwei Wochen

Die molekulare Allergiediagnostik auf der Basis rekombinanter Allergene hat eine besondere Bedeutung bei der Abklärung von Anaphylaxien auf Nahrungsmittel. Mit ihrer Hilfe lässt sich erkennen, ob ein Patient tatsächlich gegen ein relevantes Protein sensibilisiert ist.

Eine diagnostische Eliminationsdiät hilft, unnötige Kosteinschränkungen zu vermeiden. Sie sollte auch bei chronischer Erkrankung nicht länger als zwei Wochen beibehalten werden. Mit einem Ernährungs- und Symptomtagebuch lässt sich die Diagnose erhärten oder entkräften. Anschließend wird unter ärztlicher Aufsicht geprüft, ob wieder eingeführte Nahrungsmittel Symptome auslösen.

Als Goldstandard zur Absicherung der Verdachtsdiagnose Nahrungsmittelallergie gilt die orale Provokation. Doppelblind und placebokontrolliert durchgeführt, kann sie die Reaktion objektivieren. Allerdings belegt ein positives Ergebnis nur die Unverträglichkeit, nicht deren Genese. Zwischen Laktoseintoleranz und Kuhmilchallergie kann auf diese Weise nicht differenziert werden.

Ungeeignete Diagnostik

  • IgG-Antikörperbestimmung
  • Lymphozytenstimulationstest
  • Lymphozytentransformationstest
  • elektrische Tests (inklusive Bio­resonanz)
  • kinesiologische Verfahren

Soforttypreaktionen wie die Urtikaria zeigen sich meist innerhalb von zwei Stunden. Intestinale Manifes­tationen können sich ebenso wie ein atopisches Ekzem auch noch viele Stunden nach dem Test verschlimmern. Deshalb ist eine Untersuchung am Folgetag obligat. Aus Sicherheitsgründen darf die orale Provokation nur in Einrichtungen erfolgen, in denen eine Anaphylaxie adäquat behandelt werden kann.
Als sicherere Alternative zur oralen Tes­tung bietet sich die intestinale Provokation im Rahmen einer Endoskopie an. Zum Nachweis genügen sehr niedrige Allergendosen, entsprechend gering ist das Anaphylaxierisiko. Die Reaktion kann auch bei gastroenterologischen Patienten umgehend evaluiert werden. Außerdem ist eine Diskrimination zwischen Milchproteinallergie und Laktoseintoleranz möglich.

Quelle: Bischoff SC. Internist (Berl) 2022; 63: 171-184; DOI: 10.1007/s00108-021-01256-x