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Vorsorgekoloskopie Entscheidend ist, was rauskommt

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Adenokarzinome leiten sich vom Drüsengewebe ab. Hier eine maligne Neoplasie des Kolons. Adenokarzinome leiten sich vom Drüsengewebe ab. Hier eine maligne Neoplasie des Kolons. © Science Photo Library/Gastrolab
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Die koloskopische Darmkrebsvorsorge feiert ihren 20. Geburtstag. Vieles wurde erreicht, manches liegt noch im Argen. Auf jeden Fall ist das Jubiläum Anlass für eine kritische Reflexion.

Zwanzig Jahre ist es her, dass die Darmkrebsvorsorge mittels Koloskopie in die Richtlinie zur Krebsfrüherkennung und damit in das allgemeine Leistungsverzeichnis der Krankenkassen aufgenommen wurde. Ohne Frage war das der Beginn einer Erfolgsgeschichte, schreibt eine Autorengruppe um Dr. Franz ­Josef Heil, Internist mit Schwerpunkt Gastroenterologie in ­Andernach: Seit 2003 geht die Zahl der Todesfälle und Neuerkrankungen bei uns zurück – während sie in Ländern ohne Screening steigt oder stagniert.

Die Teilnahmerrate ist mit jährlich 3–4 % der Anspruchsberechtigten aber zu niedrig. Das Einladungsverfahren, das seit 2019 eingesetzt wird, ist zweifelsohne ein Schritt in die richtige Richtung, meinen die Gastroenterologen. Dabei werden sämtliche Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen ab dem 50. Geburtstag alle fünf Jahre per Brief zur Darmkrebsfrüherkennung eingeladen. Diese kann entweder per Koloskopie erfolgen oder mit einem immunologischen Test auf okkultes Blut im Stuhl (iFOBT). 

Anspruchsdenken ­ausdrücklich erwünscht

Ab dem Alter von 50 Jahren haben alle Krankenversicherten Anspruch auf die Darmkrebsfrüherkennung. Männer können zwischen einem jährlichen iFOBT und der Koloskopie wählen. Frauen ab 50 haben Anrecht auf einen jährlichen iFOBT, eine Koloskopie bekommen sie frühestens ab 55 Jahren bezahlt.

Für alle ab 55 – Männer wie Frauen – werden die Kosten für den iFOBT nur noch alle zwei Jahre übernommen. Nach zehn Jahren kann die Koloskopie im Rahmen der Vorsorge einmal wiederholt werden. Jede Darmspiegelung ab 65 Jahren zählt als zweite Untersuchung, und zwar unabhängig davon, ob zuvor eine Darmspiegelung erfolgt ist oder nicht.

Kompliziertes Verfahren bremst Früherkennung aus

Doch der ­Modus ­Operandi ist zu kompliziert, lautet die Kritik der Experten. Denn der Patient muss nach Erhalt des Schreibens und der Entscheidung für den iFOBT eigens die Praxis aufsuchen, um den Test abzuholen. Die Probe trägt er dann wieder zum Arzt zurück, der sie ans Labor schickt. Das Testergebnis wird dem Arzt übermittelt, der seinerseits den Patienten darüber in Kenntnis setzt und ihm gegebenfalls die Kolo­skopie empfiehlt. Angesichts dieses Vorgehens lässt sich gut erklären, warum hierzulande bei jedem Dritten mit positivem iFOBT letztlich doch keine Darmspiegelung erfolgt.
Als Gegenbeispiel und Vorbild führen die Autoren die Niederlande an. Dort hat man sich mit großem Erfolg dafür entschieden, mit dem Einladungsschreiben gleich einen iFOBT mitzuschicken, den der Patient nach der Durchführung ohne großen Aufwand zurücksendet.

Kritisch sehen Dr. Heil und Kollegen auch die Informationsbroschüre, die in Deutschland mit der Einladung verschickt wird. Diese wirke durch die kaum verständliche Darstellung statistischer Zusammenhänge eher abschreckend als motivierend, meinen sie.

In der Richtlinie für organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme aus dem Jahr 2019 sei zudem nicht berücksichtigt worden, dass Männer schon mit 60 Jahren ihre zweite Koloskopie erhalten können, danach aber nur noch ab 70 einen ­iFOBT im Zwei-Jahres-Rhythmus – wodurch Karzinome insbesondere im höheren Alter nicht frühzeitig erkannt werden.

Quelle: Heil FS et al. Dtsch Med Wochenschr 2023; 148: 77-83; doi: 10.1055/a-1839-1710