
Rätselhafte Fibromyalgie Fibromyalgie: IgG stützt Autoimmun-Hypothese

Die Fibromyalgie ist und bleibt eine rätselhafte Erkrankung. Über ihre Pathomechanismen wird immer wieder diskutiert, wobei auch neurologische und psychosomatische Ursachen im Raum stehen. Zahlreiche neuere Hinweise deuten allerdings auf ein autoimmunes Geschehen.
Bei der Frage, ob es sich bei der Fibromyalgie um eine autoimmunbedingte Erkrankung handelt, scheiden sich die Geister. Gegen diese Hypothese spricht, dass sich trotz subklinischer Inflammation kein Gewebeschaden nachweisen lässt. Zudem können weder Biologika noch Immunsuppressiva die Beschwerden lindern, lautet ein weiteres Argument. Doch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die von einem autoimmunen Geschehen als Krankheitsauslöser ausgehen, können immer mehr und immer überzeugendere Belege für ihre Auffassung anführen, meinte Prof. Dr. Andreas Goebel von der Universität Liverpool.
So isolierten Forschende in einer britisch-schwedischen Studie Immunglobulin G aus dem Blut gesunder Menschen und aus dem von Patientinnen und Patienten mit Fibromyalgiesyndrom (FMS). Anschließend injizierten sie die Antikörper in Labormäuse. Nager, die IgG von FMS-Kranken erhalten hatten, entwickelten typische Fibromyalgiesymptome wie erhöhte Schmerzempfindlichkeit gegenüber Kälte, Wärme oder mechanische Reize, berichtete Prof. Goebel als der Erstautor der Studie. Außerdem gingen bei diesen Tieren Greifkraft und Aktivität zurück. Damit sei ein typisches Merkmal einer Autoimmunerkrankung erfüllt, so der Referent: nämlich eine durch IgG-Autoantikörper verursachte Symptomatik. IgG aus gesunden Kontrollpersonen und Serum, aus dem die IgG entfernt worden waren, lösten bei damit behandelten Labortieren weder die typischen Beschwerden noch Gewebeveränderungen aus.
Bei den histologischen Untersuchungen der mit IgG von FMS-Kranken behandelten Mäuse zeigte sich zudem, dass die Dichte der Nervenfasern in der Haut verringert war. Außerdem banden die IgG spezifisch an periphere Gliazellen, berichtete Prof. Goebel. Doch nicht nur die Glia-, auch Mastzellen sind offenbar ein Ziel der IgG, wie er anhand der Ergebnisse einer anderen Studie zeigte (Daten in Publikation).
Plasmapheres besserte Funktion und Lebensqualität
In zwei weiteren, unter Begutachtung bzw. in Vorbereitung stehenden Publikationen wird über neue Therapiemöglichkeiten bei Fibromyalgie berichtet. In beiden Studien steht ebenfalls Immunglobulin G im Fokus. In der ersten Arbeit wurde bei drei Betroffenen mittels Plasmapherese das IgG um durchschnittlich 75–80 % reduziert. Dadurch besserten sich Funktion und Lebensqualität, nicht aber die Schmerzen. Das ist das Gegenteil dessen, was man sonst sieht, sagte Prof. Goebel. Viel häufiger würden sich die Schmerzen bessern, während Funktionalität und Lebensqualität unverändert bleiben.
Eine Forschungsgruppe um Prof. Goebel prüfte wiederum, inwieweit die Blockade des neonatalen Fc-Rezeptors (FcRn) bei Fibromyalgie hilfreich ist. Der FcRn-Blocker Rozanolixizumab reduzierte in einer Phase-2a-Studie bei schwerer Fibromyalgie das IgG um 60 % und wirkte signifikant besser als Placebo. Die vordefinierten Benchmarks wurden allerdings nicht erreicht. Sollte es trotzdem zur klinischen Entwicklung der Substanz zum einsatzfähigen Medikament kommen, könnte sie das erste Biologikum für die Behandlung des Fibromyalgiesyndroms werden, so Prof. Goebel.
IgG scheinen also bei Fibromyalgie eine wichtige Rolle zu spielen. Zahlreiche Studien stützen diese Annahme, indem sie auf fehlregulierte B-Zellen als zentrale Krankheitsursache hinweisen. Eine ebenfalls noch unpublizierte Studie scheint diese Hypothese einer verlorenen B-Zell-Toleranz zu bekräftigen.
Faktoren, die den Verlust oder die Verringerung der B-Zell-Toleranz begünstigen, gibt es laut Prof. Goebel viele. Dazu gehören:
- starker, wiederholter Stress
- genetische Disposition
- möglicherweise Medikamententoxizitäten, z. B. durch Fluorchinolone
- Infekte
Eine kürzlich publizierte Studie hebt zudem die mögliche Rolle des Darmmikrobioms hervor. In dieser Untersuchung waren fäkale Mikrobiota von Fibromyalgiepatientinnen auf Mäuse übertragen worden, die daraufhin die typischen Symptome entwickelt hatten. Prof. Goebels Fazit zur Suche nach den Ursachen der Fibromyalgie: Es bleibt spannend!
Quelle: Kongressbericht EULAR 2025 – European Congress of Rheumatology