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Nekrose vom Epikutantest Folgenschwere Fehlerkette

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Zu dem folgenschweren Fehler war es gekommen, weil in der Vorbereitung grundlegende Prinzipien missachtet wurden. (Agenturfoto) Zu dem folgenschweren Fehler war es gekommen, weil in der Vorbereitung grundlegende Prinzipien missachtet wurden. (Agenturfoto) © Katarzyna Leszczynsk – stock.adobe.com
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Bei Epikutantests zum Nachweis einer Kontakt­allergie muss man häufig auf nicht standardisierte Substanzen zurückgreifen. Deren Einsatz jedoch erfordert besondere Kontrollen, wie der Fall einer 45-Jährigen zeigt.

Eine 45-jährige Frau entwickelte nach dem erstmaligen Auftragen einer Sonnencreme eine massive, juckende Rötung im Gesicht, die innerhalb von wenigen Tagen spontan ab heilte. Der behandelnde Arzt vermutete eine allergische Kontaktdermatitis. Für den Patch-Test stellte der Hersteller Muster von 30 in der Creme enthaltenen Substanzen zur Verfügung, die zusätzlich zur Standardreihe und weiteren infrage kommenden DKG*-Reihen getestet wurden.

Bei der ersten Ablesung 48 h nach dem Aufkleben der Pflaster berichtete die Frau, dass sie bereits wenige Stunden nach der Applikation ein Brennen rechts am Rücken gespürt hatte. Sie hatte die Reaktion der Testung zugeschrieben und sich nichts dabei gedacht, schreiben PD Dr. Kathrin­ Scherer­ Hofmeier­ vom Kantonsspital Aarau­ und Prof. Dr. Andreas­ Bircher­ vom Universitätsspital Basel­. Ein positives Test­ergebnis ließ sich zu diesem Zeitpunkt nicht erkennen. Wohl aber eine ulzeröse Veränderung im Feld für Natronlauge, weshalb sofort eine topische Steroidbehandlung begonnen wurde.

Die Zweitablesung zwei Tage später ergab eine Reaktion gegen Duftstoffmix II und zwei Inhaltsstoffproben der Creme: Chondrus crispus, eine Rotalge, und Isononylisononanoat. Die toxische Reaktion auf Natronlauge bestand fort. Die nun erstmals durchgeführte pH-Messung ergab einen Wert von 14 – die Flüssigkeit war unverdünnt aufgetragen worden!
Die Hautreaktion entsprach einer Kolliquationsnekrose, der typischen Folge einer Laugenverätzung. Bei der Kontrolluntersuchung eine Woche später fand sich eine knapp 2 cm große nekrotische Plaque, die operativ versorgt werden musste – die Nekrose reichte bis zur Subkutis – und erst nach zweieinhalb Monaten unter Narbenbildung verheilt war.

Eine ganze Reihe von Fehlern im Vorfeld der Untersuchung

Grundvoraussetzung für den Einsatz von Eigensubstanzen bzw. deren Bestandteile ist, dass die Lösungen einer Überprüfung mit Blick auf die Hautverträglichkeit und bezüglich toxischer, sensibilisierender oder anderweitig schädigender Wirkungen standhalten, schreiben die Allergologen. Zu dem folgenschweren Fehler war es gekommen, weil in der Vorbereitung grundlegende Prinzipien missachtet wurden. So war vor dem Auftragen des Materials die erforderliche Abnahme der Testreihe durch einen erfahrenen Allergologen unterblieben. Auch hatte die zuständige Mitarbeiterin die für Einzelsubstanzen vorgeschriebene pH-Messung aus Zeitgründen nur unzureichend durchgeführt. Zudem waren die Behälter alle auf Englisch beschriftet.

Allerdings hätte auch der zuständige Assistenzarzt die Listen abgleichen, die pH-Werte kontrollieren sowie eine präzise Verordnung von Auswahl und Zubereitung der Komponenten treffen müssen. Diese Entscheidung würde dann normalerweise von einem Fach- oder Oberarzt kontrolliert werden. Jeder dieser Schritte hätte das unverdünnte Aufbringen der Natronlauge verhindert, schreiben die Kollegen.

Außerdem muss beim Einsatz von Eigensubstanzen immer auf Sinnhaftigkeit und allergologische Relevanz geachtet werden. Der Hersteller der Sonnencreme etwa setzt Natronlauge nur in Kleinstmengen zur pH-Regulierung ein. Natronlauge aber ist nicht nur nicht allergen, sondern als Testsubstanz schlichtweg kontraindiziert – was ebenso für Säuren gilt, die zum Einstellen des pH-Werts eingesetzt werden.

Das Klinikpersonal hatte gegenüber der Patientin den Kunstfehler umgehend offen kommuniziert. Zusammen mit der Übernahme sämtlicher Behandlungskosten durch die Haftpflichtversicherung der Klinik führte das dazu, dass die 45-Jährige auf weitere rechtliche Schritte verzichtete.

Quelle: Scherer Hofmeier K, Bircher AJ. „NaOH ist nicht NaCl – ulzeröse Reaktion auf Natronlauge bei der Epikutantestung der Inhaltsstoffe einer Sonnenschutzcreme“, Akt Dermatol 2023; 49: 47-51; doi: 10.1055/a-1576-6758 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, New York

*    Deutsche Kontaktallergie-Gruppe