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Myokardinfarkt Geballte Sekundärprävention

Autor: Manuela Arand

Vor allem für Länder mit eingeschränkten Finanzressourcen wird die Polypille nach ihrer Einschätzung große Fortschritte bringen. Vor allem für Länder mit eingeschränkten Finanzressourcen wird die Polypille nach ihrer Einschätzung große Fortschritte bringen. © freshidea- stock.adobe.com
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Seit 15 Jahren geistert die sogenannte Polypille durch die Kardiologie. Jetzt hat man erneut gezeigt, dass sie das Herzkreislaufrisiko stärker senkt als übliche Strategien. Doch Fragezeichen bleiben.

Die jüngst getestete Polypille setzt sich aus drei niedrig dosierten Komponenten zusammen: ASS, Ramipril und Atorvastatin. Klingt simpel, ist es aber nicht: „Wir haben 50 Polypillen zusammenbauen müssen, um zwei zu bekommen, die pharmakokinetisch so funktionieren wie die Wirkstoffe im Einzelnen“, erzählte Prof. Dr. Valentin Fuster, Centro Nacional de Investigaciones Cardiovasculares, Madrid. Er ist einer der Väter des Konzepts „Polypill“ und hat die SECURE-Studie geleitet, deren Ergebnisse er jetzt vorstellte.

Nach erfolgreichen Studien zu Therapieadhärenz und Primärprävention sollte in SECURE die Wirksamkeit in der Sekundärprävention prospektiv getestet werden. Knapp 2.500 Postinfarktpatienten nahmen an der Studie teil. Einschlusskriterien waren ein Alter über 75 Jahre oder über 65 Jahre, wenn mindes­tens ein weiterer Risikofaktor vorlag – darunter Rauchen, Diabetes oder Bluthochdruck.Die Verumgruppe erhielt Poly­pillen mit ASS (100 mg) sowie Ramipril in ansteigenden Dosen (2,5/5/10 mg) und Atorvastatin in zwei verschiedenen Dosierungen (20/40 mg), um die Verträglichkeit zu verbessern. Die Kontrollgruppe wurde nach ESC-Leitlinie behandelt. Das Follow-up betrug drei Jahre.

Beim primären Endpunkt – der Kombination von kardiovaskulärem Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall und Notfall-Revaskularisierung – erreichte die Polypille einen signifikanten Vorsprung vor der leitliniengerechten Therapie: Absolut traten 3,2 % weniger Ereignisse auf (24 % relative Risikoreduktion), wobei die Kurven immer weiter auseinanderstrebten. Das Ergebnis fiel noch deutlicher aus, wenn man die Revaskularisierung wegließ (30 % relative Risikoreduktion). Beim Herztod alleine betrug die Risikoreduktion für die Polypille 33 %.

Hohe Adhärenz ist wichtiger als medizinische Innovationen

Prof. Fuster führt den Benefit vor allem auf die signifikant bessere Adhärenz zurück, getreu dem WHO-Motto „Die Adhärenz zu steigern, wird die Gesundheitssituation der Menschen stärker verbessern als jede medizinische Innovation“. Die Biomarker Blutdruck und LDL unterschieden sich nach sechs, zwölf und 24 Monaten übrigens nicht.

„Adhärenz ist ein Riesenproblem“, räumte Prof. Dr. Louise Bowman, Universität Oxford, ein. Mit der Kommentierung der Studie beauftragt, zeigte sie als Erstes den evidenzbasierten Pillencocktail, den ihr Ehemann seit NSTEMI und PCI neun Monate zuvor einnehmen soll. „Mein Mann ist hochmotiviert – und vergisst dann zweimal die Woche doch seine Abenddosis Ticagrelor, und zwei- bis dreimal im Monat nimmt er keine einzige Tablette“, so die britische Kardiologin. Vor allem für Länder mit eingeschränkten Finanzressourcen wird die Polypille nach ihrer Einschätzung große Fortschritte bringen.

Die SECURE-Studie bietet jedoch nicht nur Highlights. So hat die Pandemie das Follow-up empfindlich gestört. Die statistische Power war ohnehin eingeschränkt, da die geplanten 3.200 Teilnehmer nicht erreicht werden konnten, und die Ereignisraten niedriger ausfielen als angenommen. Und natürlich konnten die Teilnehmer nicht verblindet werden, was laut Prof. Bowman einen starken Bias darstellt.

Insgesamt wertete die Expertin die Studie zwar positiv, fragte aber auch, ob eine Endpunktstudie wirklich nötig war, um die klinische Praxis zu ändern: „Oder können Sie sich einen echten Grund vorstellen, weshalb die Polypille keine gute Idee ist?“ Jetzt muss sich nur noch jemand finden, der sie herstellt und vertreibt.

Kongressbericht: ESC* Congress 2022

*    European Society of Cardiology