
Dickmacher Antipsychotika Gewichtszunahme durch Antipsychotika muss nicht sein

Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder bipolarer Störung haben sehr häufig auch Gewichtsprobleme. Die Prävalenz von Übergewicht betrage in dieser Personengruppe gut 60 %, in fast 26 % liege sogar eine Adipositas vor, so Prof. Dr. Alkomiet Hasan von der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Universität Augsburg.
Verantwortlich für die zusätzlichen Pfunde sind mehrere Faktoren: eine bei psychisch Kranken oft reduzierte Selbstfürsorge, ungesunder Lebensstil, Stigmatisierung und verschiedene Medikamente. Eine durch Antipsychotika induzierte Gewichtszunahme wird mittlerweile sogar mit einer eigenen Abkürzung bezeichnet: AIWG (antipsychotic-induced weight gain).
Komplikationen befeuern die Exzessmortalität
Manche Menschen mit Schizophrenie haben schon vor Beginn der medikamentösen Therapie ein erhöhtes Risiko für Übergewicht oder Diabetes, im Verlauf der Erkrankung steigt es dann steil an. Komplikationen wie Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf- und Tumorerkrankungen zeichnen mitverantwortlich für einen Teil der Exzessmortalität bei Schizophrenie, betont Prof. Hasan. Daher sollte das Behandlungsteam das Gewicht insbesondere bei schwerer Erkrankung gut im Blick behalten. Bei Schizophrenie werden folgende Schritte empfohlen:
- Vor Beginn einer Pharmakotherapie und bei jedem ambulanten Kontakt das Körpergewicht der/des Betroffenen überprüfen (gewogen ohne Hose und Schuhe)
- Betroffene und Angehörige über das Problem und die Folgen einer möglichen Gewichtszunahme informieren
- Ab einer Gewichtszunahme um 3–5 % besteht Handlungsbedarf: Beratung über Portionsgrößen, angeleitete Aktivierung, Teilnahme an Ernährungs- und Bewegungsprogrammen
- Falls das nicht genügt: Dosisreduktion oder Umstellung der auslösenden Pharmaka, evtl. zusätzliche Gabe einer gewichtsstabilisierenden oder -reduzierenden Medikation
In der Praxis ist es zunächst wichtig, das AIWG-Potenzial der verschiedenen Antipsychotika zu kennen. Die Gefahr einer Gewichtszunahme ist unter Clozapin und Olanzapin am größten, während Haloperidol, Ziprasidon, Aripiprazol und Lurasidon das geringste Risiko aufweisen. Das AIWG-Risiko der übrigen Antipsychotika liegt zwischen diesen beiden Polen. Ob bei einer kritischen Gewichtszunahme eine Dosisreduktion (cave: erhöhtes Rezidivrisiko) oder eine Umstellung der Medikation erfolgen sollte, bleibt eine individuelle Entscheidung. Diese hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter Schwere der Indexepisode, Therapieansprechen, frühere Rezidive und komorbider Substanzgebrauch.
Metformin wird zum Teil schon präventiv empfohlen
Metformin ist ein wirksames Mittel, um die unerwünschte Gewichtszunahme einzudämmen. Die S3-Leitlinie Schizophrenie von 2019 empfiehlt den Off-Label-Einsatz von Metformin zur AIWG-Behandlung. Seit einigen Jahren gibt es vermehrte Hinweise, dass Metformin auch vorbeugend gegen AIWG hilfreich sein kann – zwei internationale Leitlinien empfehlen bereits die präventive Gabe unter Antipsychotika.
In jedem Fall muss die Substanz eindosiert werden. In der ersten Woche gibt man 500 mg Metformin morgens, in der zweiten Woche 500 mg morgens und abends. Nach Überprüfung von Wirksamkeit und Verträglichkeit im Verlauf der nächsten Wochen kann ggf. auf bis zu 2.000 mg Tagesdosis gesteigert werden. Typische Nebenwirkungen sind gastrointestinale Beschwerden. Vor Beginn der Behandlung muss die oder der Betroffene über den Off-Label-Einsatz aufgeklärt werden. Zudem empfiehlt es sich, vorab die Kostenübernahme durch die zuständige Krankenkasse abzuklären.
GLP1-Analoga wie Semaglutid und Liraglutid können die Gewichtsabnahme sehr erfolgreich unterstützen. In der internationalen Literatur werden sie bereits bei bestimmten Konstellationen zur Prävention und Abschwächung einer AIWG empfohlen. In Deutschland ist das wegen der fehlenden Erstattbarkeit so nicht möglich. Prof. Hakan weist auch darauf hin, dass bezüglich der Sicherheit und Verträglichkeit von GLP1-Analoga noch einige Fragen ungeklärt sind – gerade im Zusammenhang mit schweren psychischen Erkrankungen und deren medikamentöser Behandlung. Mit Metformin stehe eine sichere, gut untersuchte und kostengünstige Alternative zu den GLP1-Analoga zur Verfügung, daher sollte es immer die primäre Intervention sein, schreibt der Kollege. Ausnahmen könnten AIWG-Betroffene sein, die ohnehin die Zulassungskriterien für den Einsatz von GLP1-Analoga erfüllen.
Quelle: Hasan A. PPT 2025; 32: 89-97; doi: 10.52778/ppt20250008