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Funktionelle Bewegungsstörung Hardware ok, Software defekt

Autor: Friederike Klein

Insgesamt zeigten die Fälle, dass ein eigenes Management der Erkrankung und das dadurch wachsende Gefühl der Selbstwirksamkeit besonders wichtig seien. Insgesamt zeigten die Fälle, dass ein eigenes Management der Erkrankung und das dadurch wachsende Gefühl der Selbstwirksamkeit besonders wichtig seien. © Andrey Popov – stock.adobe.com
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Die richtige Metapher kann dabei helfen, Patienten eine funktionelle Bewegungsstörung verständlich zu machen. Ein Experte empfiehlt das Bild „Hardware vs. Software“, um die Akzeptanz der Krankheit zu verbessern und Betroffene für die Therapie zu motivieren.

Eine funktionelle Bewegungsstörung liegt vor, wenn keine körperlichen Ursachen für die Bewegungsstörung gefunden wurden. Das sollte den Betroffenen gegenüber positiv hervorgehoben werden, empfiehlt der Sporttherapeut Christof Degen-Plöger von der Universität Lübeck. Er hat gute Erfahrungen mit der Metapher „Hardware vs. Software“ gemacht, um das Krankheitsverständnis und die Krankheitsakzeptanz zu verbessern.

„Die Hardware ist in diesen Fällen in Ordnung“, sagte der Experte. Die Bewegung könne nur durch eine gesteigerte und fehlgerichtete Aufmerksamkeit nicht mehr unbewusst ablaufen. „Also ist gewissermaßen die Software fehlerhaft und muss umprogrammiert werden.“ Für diese Veränderung hat die Physiotherapie in der multimodalen Therapie funktioneller Bewegungsstörungen eine Schlüsselrolle, betonte Degen-Plöger. Wichtig sind seiner Erfahrung nach Schlüsselmomente, die belegen, dass die Symptome umkehrbar oder durch bestimmte Trigger und Neufokussierungen beeinflussbar sind.

So litt etwa eine 20-jährige Patientin nach einem Gerstenkorn am linken Auge an einem Lidschluss links, der sie aufgrund ihrer PC-lastigen Tätigkeit arbeitsunfähig machte. Im Gespräch berichtete sie, dass andere Personen eine Besserung beim Reiten, ihrem Hobby, beobachtet hatten. In der Physiotherapie ließ sich das beim Jonglieren ebenfalls beobachten. „Da hat es plötzlich ‚klick‘ gemacht“, meinte Degen-Plöger. Nach fünf Übungseinheiten war die Patientin symptomfrei.

Erkennen die Betroffenen, dass die Symptome veränderbar sind, ist ein wichtiger Schritt zum Umlernen getan. Das gilt auch bei ausgeprägteren, länger andauernden Symptomen. Eine 56-jährige Patientin hatte im Alter von 47 Jahren Gangstörungen entwickelt. Sie berichtete, sie könne die Füße nicht anheben. Die Diagnose funktionelle Bewegungsstörung erhielt sie im Alter von 54 Jahren. Ihr Hauptproblem war die eingeschränkte Gehfähigkeit, die teilweise einen Rollstuhl erforderlich machte. Bei Erstkontakt konnte sie mit Gehstöcken 200 bis 300 m gehen. Sie gab an, dass sie im Alltag eine große Variabilität der Symptome beobachte, die sie sich nicht erklären könne. In einem Folgegespräch gab sie den Wunsch an, zu tanzen. Tatsächlich war sie in der Lage zu tanzen, was per Video dokumentiert wurde. So erkannte sie, dass eine Veränderung möglich ist.

Ihre Aufgabe bestand nun darin, bei jedem Schritt nach einem in Laufrichtung gehaltenen Gehstock zu treten. Ziel war die Umlenkung der Aufmerksamkeit weg von den eigenen Schritten. Nach motivierter Übung zu Hause könne die Patientin mittlerweile ohne Hilfsmittel zwei bis drei Kilometer in 30 Minuten gehen, erklärte Degen-Plöger. Insgesamt zeigten die Fälle, dass ein eigenes Management der Erkrankung und das dadurch wachsende Gefühl der Selbstwirksamkeit besonders wichtig seien, betonte der Experte.

Quelle: 96. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie