Hitzewellen und Hirnfunktion bei MS Hohe Temperaturen verschlechtern bei vielen Betroffenen die Symptome

Autor: Dr. Susanne Meinrenken

Ruhephasen werden für MS-Erkrankte künftig immer wichtiger werden. Ruhephasen werden für MS-Erkrankte künftig immer wichtiger werden. © nenetus – stock.adobe.com

Die neurologischen Symptome von Menschen mit Multipler Sklerose verstärken sich bei Hitze deutlich – darunter Fatigue und kognitive Einschränkungen. Studien zeigen, dass Hitzewellen Krankheitsschübe und Klinikaufenthalte wahrscheinlicher machen.

Extremwetterereignisse spielen für Menschen mit Multipler Sklerose eine wichtigere Rolle als gedacht. Bei vielen von ihnen verstärken sich die Symptome hitzebedingt, wofür es erste pathophysiologische Erklärungen gibt.
Anfallsartige Sehstörungen bei Menschen mit Multipler Sklerose (MS), ausgelöst beispielsweise durch Fieber, intensive sportliche Betätigung oder einen Saunagang, werden als Uhthoff-Phänomen beschrieben. Mit dem Wissen um diesen Zusammenhang wundert es nicht, dass einer Studie zufolge 70 % der Erkrankten bei Hitze stärkere Symptome beobachten, schreiben Dr. Shala-Ghaderi Berntsson, Universität Uppsala, und Team.

Wie bei anderen neurologischen Erkrankungen wird z. B. eine Verschlimmerung der Fatigue durch Hitze beobachtet. Trotzdem gibt es kaum Studien über die Auswirkungen von Hitzewellen auf die MS. Das Autorenteam sah sich 24 geeignete Untersuchungen zu hohen Umgebungstemperaturen als Einflussfaktor für neurologische Symptome bei MS-Kranken genauer an. In 67 % wurde eine Assoziation nachgewiesen, z. B. in Bezug auf Fatigue, Beweglichkeit, kognitive Funktion, Klinikaufenthalte oder auffällige MRT-Ergebnisse. Jedoch waren die Korrelationen in manchen Arbeiten nur schwach ausgeprägt oder die Ergebnisse widersprüchlich.

In mehreren Studien fand sich eine Verbindung von häufigeren Schüben, mehr Klinikaufenthalten und/oder verstärkter Fatigue mit heißeren Umgebungstemperaturen. Auch gab es Hinweise darauf, dass Betroffene während der Sommermonate häufiger einen Krankheitsschub erleben als im Winter. Unter künstlicher Hitze in einer Klimakammer fühlten sich einer Untersuchung zufolge Menschen mit MS deutlich erschöpfter als Kontrollpersonen.

Warum die Hitzeempfindlichkeit auftritt, ist neurophysiologisch nicht vollständig geklärt, aber es gibt Hinweise. Läsionen im ZNS, darunter im Thalamus, können Ursache einer dysfunktionalen Thermoregulation sein. Demyelinisierte Nervenfasern funktionieren vermutlich schlechter bei steigenden Temperaturen. Möglich ist auch eine Fehlfunktion des autonomen Nervensystems bei MS, was eine Anpassung an Hitze erschwert. Trotz der noch limitierten Studiendaten ist für das Autorenteam klar: Hitze kann die Symptomatik bei MS beeinflussen und vor allem die Fatigue verstärken.

Unabhängig von den noch offenen wissenschaftlichen Fragen ist es wichtig, die Erkrankten aufzuklären. Denn wer um den Zusammenhang weiß und Strategien zur Kühlung kennt, kann sich anpassen. Als wirksame Akutmaßnahmen haben sich etwa das Tragen spezieller kühlender Kleidung und kaltes Duschen nach dem Sport erwiesen.

Allerdings empfinden manche Betroffene neben hohen Temperaturen auch Kälte als verschlimmernd. Daher sollten die Patientinnen und Patienten u. a. versuchen, rechtzeitig Pausen einzulegen und die Wohnung kühl zu halten. Das wird mit zunehmenden Hitzephasen durch den Klimawandel immer wichtiger werden.

Quelle: Berntsson S-G et al. J Neurol Sci 2025; 474: 123526; doi: 10.1016/j.jns.2025.123526