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Vision Zero Innovationspreis Impfung gegen aggressive Hirntumoren

Medizin und Markt Autor: Manuela Arand

Gliome machen bis zu 50 % aller Hirntumoren aus. Sie werden in vier Grade eingeteilt – von 1 (benigne) bis 4 (hochmaligne). Gliome machen bis zu 50 % aller Hirntumoren aus. Sie werden in vier Grade eingeteilt – von 1 (benigne) bis 4 (hochmaligne). © iStock/Firstsignal
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Gliome zählen zu den häufigsten und problematischsten Hirntumoren. Die Überlebenschancen der Patienten stehen schlecht. Eine spezifische Vakzine soll das ändern. Dafür gab es den Vision Zero Innovationspreis 2022.

Das Problem der Gliome besteht darin, dass sie sehr infiltrativ und diffus wachsen. Bei Diagnose hat man es nicht nur mit dem Tumor selbst zu tun, sondern mit vielen Tumorzellen, die sich über das Gehirn ausgebreitet haben und den Grund für die hohe Rezidiv­neigung trotz Radiochemotherapie darstellen, erklärte Preisträgerin Dr. Theresa Bunse, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg. Sie hat mit ihrem Team erforscht, wie sich T-Helferzellen gegen Gliome in Stellung bringen lassen. Dabei machen sich die Forscher die Tatsache zunutze, dass ohnehin viele Immunzellen in das Gliom einwandern, die dann „nur“ noch ertüchtigt werden müssen, den Tumor anzugreifen.

Als Schlüsselstruktur dient das Enzym IDH1 (Isocitrat-Dehydrogenase), das in mutierter Form bei etwa 70 % der Gliome zu finden ist. Die IDH1(R132H)-Mutation ist die früheste Treibermutation in der Tumorgenese von Gliomen und kommt spezifisch nur in Tumorzellen vor – und zwar in allen Tumorzellen, was keineswegs bei allen Mutationen und Malignomen der Fall ist. Daher wird eine Impfung keine Breitenwirkung auf andere Gewebe entfalten. Voraussetzung ist natürlich, dass IDH1(R132H) tatsächlich immunogen wirkt. Nachdem das Mausmodell gezeigt hatte, dass eine IDH1(R132H)-Peptidvakzine spezifische T-Helferzellen auf den Plan ruft, hat das Forscherteam um Dr. Bunse eine erste klinische Phase-1-Studie mit 30 frisch diagnostizierten Gliompatienten unternommen. Die Patienten erhielten über 24 Wochen insgesamt acht Impfungen. Primäres Ziel war wie üblich der Nachweis der Sicherheit, was gelang. Vakzin-assoziierte Nebenwirkungen beschränkten sich weitgehend auf milde Lokalreaktionen (Grad 1).

84 % der Responder lebten nach drei Jahren noch

Nahezu alle Patienten zeigten gute spezifische T-Zell- und Antikörperantworten auf den Impfstoff, die auch Monate nach der letzten Immunisierung noch nachweisbar waren. Nur zwei sprachen immunologisch nicht auf die Vakzine an.

Natürlich ist eine Phase-1-Studie nicht geeignet, um Therapieeffekte nachzuweisen, so Dr. Bunse. Nachgesehen haben die Forscher trotzdem, und das Resultat ist äußerst vielversprechend. Von den Respondern lebten nach drei Jahren 84 %, 63 % blieben progressionsfrei. Beide Nonresponder sind inzwischen verstorben. Ein wichtiger Hinweis auf die biologische Aktivität am Zielort ist die Pseudoprogression. Diese zeigt sich bei vielen Patienten als scheinbare Größenzunahme im MRT, ist jedoch nicht auf Tumorwachstum zurückzuführen, sondern auf Einwanderung von Immunzellen und entzündliche Aktivität.

Im nächsten Schritt sollen für die IDH1(R132H)-Immunantwort spezifische Rezeptoren in T-Zellen von Patienten genetisch eingebracht werden, um diese dem Betroffenen zu reinfundieren. Das umgeht das Problem, dass Krebspatienten z.B. nach Vortherapie oft nicht in der Lage sind, eine effektive Impfantwort zu generieren. In Planung außerdem: eine Phase-2-Studie als ers­ter Wirksamkeitsnachweis und weitere Studien, in denen die Vakzine mit anderen Therapien kombiniert wird, vor allem mit Immuncheckpoint-Inhibitoren.

Quelle: Hybrid-Symposium „VERLEIHUNG DES VISION ZERO INNOVATIONSPREIS 2022“ im Rahmen des Vision Zero 2022