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Sklerodermie Kampf der Nierenkrise

Autor: Dr. Sonja Kempinski

Am besten sollte man dafür sorgen, dass es gar nicht erst zu einer langfristigen Nierenersatztherapie kommt. Am besten sollte man dafür sorgen, dass es gar nicht erst zu einer langfristigen Nierenersatztherapie kommt. © Lumos sp – stock.adobe.com
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Nach einer sklerodermen renalen Krise ist eine große Zahl Betroffener dauerhaft auf eine Nierenersatztherapie angewiesen. Daher sollte alles darauf ausgerichtet sein, die Diagnose früh zu stellen und die Nierenfunktion so weit wie möglich zu erhalten.

Die autoimmunbedingte Bindegewebsvermehrung macht Patienten mit systemischer Sklerose (SSc) nicht nur an der Haut zu schaffen. Regelmäßig sind auch innere Organe wie Lunge und Nieren oder der Magen-Darm-Trakt betroffen, schreiben Dr. ­Fedaey ­Abbas von der University of Liverpool und Kollegen. Dabei führt die diffuse kutane systemische Sklerose (dcSSc) häufiger zu schwereren Organmanifestationen als die limitierte Form (lcSSc).

Die skleroderme renale Krise (SRK) kommt bei etwa 2 bis 15 % der SSc-Patienten vor und gehört damit zu den eher seltenen Komplikationen der Erkrankung. Folgende Merkmale kennzeichnen die SRK:

  • akuter, neu aufgetretener, meist symptomatischer Blutdruckanstieg (> 140/90 mmHg oder > 30 mmHg Anstieg)
  • erhöhtes Serumkreatinin
  • Oligurie oder Anurie
  • mikroangiopathische hämolytische Anämie (­MAHA) bei etwa der Hälfte der Patienten

Die Nierenkrise entwickelt sich häufiger bei der diffusen als bei der limitierten Form (siehe Kasten), und zwar vornehmlich bei Patienten mit frischer und rasch voranschreitender Erkrankung in den ersten drei bis fünf Jahren. 

Eine Frage des Typs: limitiert oder diffus?

Bei systemischer Sklerose (SSc) unterscheidet man zwei Formen:
  1. Die häufigere limitierte Form (lcSSc), bei der sich die Sklerosierung vor allem an den Akren, an Ellenbogen, Knien und im Gesicht manifestiert. Die inneren Organe sind erst spät betroffen.
  2. Die diffuse Form (dcSSc) ist seltener. Sie zeichnet sich durch ein schnelles Fortschreiten, den Befall der gesamten Haut und eine frühe Organbeteiligung aus. Mögliche Folgen sind: Lungenfibrose, pulmonale Hypertonie, gastrointestinale Funktionsstörungen, skleroderme renale Krise (SRK).

Auch wenn viele der Betroffenen vaskuläre Nierenschäden aufweisen, gehören diese nicht zu den zuverlässigen Prädiktoren. Zu diesen rechnen die Autoren eher das Vorliegen von Autoantikörpern gegen RNA-Polymerase III. Gleichfalls erhöht ist das Risiko bei Kranken, die täglich mehr als 7,5 mg Glukokortikoide oder ­D-Penicillamin einnehmen. Besonders aufmerksam sein sollten Ärzte bei Patienten mit folgenden Zeichen:
  • neu diagnostizierte Anämie
  • PerikarditisHerzinsuffizienz oder andere kardiale Manifestationen
  • schnelle Zunahme der Hautdicke
  • Zeichen der systemischen Entzündung wie Gelenkschmerzen, Synovitis, Sehnenreiben
  • Kontrakturen der großen Gelenke
Pathogenetisch könnten dem Geschehen eine vaskulär bedingt verringerte Nierendurchblutung sowie aktivierte Endothelzellen zugrunde liegen. Möglicherweise ist auch Renin beteiligt, obwohl die Serumwerte dieses Enzyms nicht bei allen Betroffenen erhöht sind. Auch Endothelin scheint involviert zu sein. Offenbar überwiegen is­chämische Prozesse, die in arterieller Intimaproliferation und fibrinoider Nekrose münden. Womöglich wird die Nierenkrise durch autoimmune Prozesse ge-triggert – die SRK ist regelmäßig mit dem Vorhandensein bestimmter Autoantikörper assoziiert. Die Diagnose wird anhand der klinischen Befunde gestellt. Bei neu aufgetretenem, symptomatischem Bluthochdruck plus erhöhtem Serumkreatinin und normalem Urinsediment ist meist keine Nierenbiopsie erforderlich. Etwa 10 % der Patienten sind jedoch normotensiv. Differenzialdiagnostisch hilft dann die feingewebliche Untersuchung (siehe Kasten rechts). 

Oder ist’s doch was anderes?

Die wichtigsten Differenzialdiagnosen zur sklerodermiebedingten Nierenkrise sind:
  • Lupusnephritis
  • thrombotisch-thrombozytopenische Purpura
  • Glomerulonephritiden, vornehmlich: rasch progrediente Glomerulonephritis (RPGN), ANCA-assoziierte Glomerulonephritis
  • Goodpasture-Syndrom
  • medikamenteninduzierte Nephropathie (­D-Penicillamin, Cyclosporin)
  • Nierenarterienstenose
  • Sepsis

ACE-Hemmer in der Krise verbessern das Outcome

Das Behandlungsziel ist klar: Der Blutdruck muss runter. Dafür setzt man in der akuten Situation primär ACE-Hemmer ein. An zweiter Stelle folgen Kalziumkanal­blocker, Angio­tensin-Rezeptorantagonisten und schlussendlich Alphablocker. Die Aufnahme der ACE-Inhibitoren in die Therapie der sklerodermen Nierenkrise konnte das Outcome der Betroffenen deutlich bessern. So erholten sich den Daten einer Studie zufolge, in der 145 Patienten entsprechend behandelt wurden, 61 % so weit, dass sie lediglich eine gewisse Zeit eine Hämodialyse benötigten (23 %) oder ganz ohne das Gerät auskamen (38 %). Wird bei der SRK eine Dialysebehandlung notwendig, ist das Outcome der Patienten oft schlecht. Doch anders als bei den sonstigen Nierenerkrankungen haben etwa 25 % der Betroffenen die Chance, dass sich ihre Organfunktion innerhalb von 18 Monaten deutlich bessert. Aus diesem Grund soll eine Nierentransplantation auch erst nach zwei Jahren erwogen werden. Insgesamt schätzen die Experten, dass etwa die Hälfte der SSc-Patienten mit renaler Krise auf lange Sicht eine Nierenersatztherapie benötigt. Dazu gehört neben der Dialysebehandlung auch die Organtransplantation. Während diese früher bei SRK-bedingter terminaler Niereninsuffizienz häufig schlechte Ergebnisse brachte, sind die Resultate der letzten Jahre ermutigend. So betrug in einer Studie aus dem Jahr 2017 das Patientenüberleben ein, drei und fünf Jahre nach der Organverpflanzung 100 %, 90,3 % bzw. 82,5 %.

Bei chronischem Hochdruck Kalziumkanalblocker

Auch wenn sich eine renale Krise heute besser beherrschen lässt als früher und die Nierentransplantation bei SRK-Patienten inzwischen gute Ergebnisse zeigt – wünschenswert ist natürlich, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Dafür geben die Autoren folgende Empfehlungen:
  • Die Patienten sollten regelmäßig und eigenständig ihren Blutdruck kontrollieren. Bei wiederholten Werten > 140/90 mmHg sollte der Arzt aufgesucht und das Serumkreatinin ermittelt werden. Nötigenfalls erfolgt eine Klinik­einweisung.
  • Bei entsprechenden Risikofaktoren haben regelmäßige Kontrollen von Serumkreatinin und Urin zu erfolgen.
  • Glukokortikoide sind so niedrig wie möglich zu dosieren.
  • Ein Bluthochdruck sollte möglichst mit Kalziumkanalblockern eingestellt werden. ACE-Hemmer vor einer renalen Krise scheinen das Mortalitätsrisiko von dcSSc-Patienten zu erhöhen.

Quelle: Abbas F et al. World J Transplant 2021; 11: 372-387; DOI: 10.5500/wjt.v11.i9.372