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Kann die TAVI der klassischen OP wirklich das Wasser reichen?

Autor: Dr. Sascha Bock

Bei schwerer Aortenklappenstenose sind Patientenalter und STS-Score nur zwei Aspekte, die das Herzteam zur Therapieentscheidung berücksichtigen müssen.
Bei schwerer Aortenklappenstenose sind Patientenalter und STS-Score nur zwei Aspekte, die das Herzteam zur Therapieentscheidung berücksichtigen müssen. © wikimedia/CDC/Dr. Edwin P. Ewing, Jr. (gemeinfrei)
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Viele Patienten mit hochgradiger Aortenstenose haben ein niedriges operatives Risiko. Wo steht der minimalinvasive Eingriff bei dieser Gruppe heute, vor allem auf lange Sicht? Ein Herzchirurg und eine Kardiologin bewerten dieselben Studien zum Thema TAVI teils unterschiedlich.

Dank der neueren TAVI*-Devices gewinnen interventionell tätige Kardiologen mehr und mehr Erkenntnisse in der Therapie von Aortenklappenstenosen. Inzwischen umfasst die Evidenz das komplette chirurgische Risikospektrum. Die jüngsten Studien, die das interventionelle Verfahren mit dem klassischen Aortenklappenersatz (AKE) bei niedrigem OP-Risiko verglichen, heißen Evolut Low Risk und PARTNER­ 3. In den Fokus der Aufmerksamkeit rückte vor allem letztere, weil sie nicht nur die Gleichwertigkeit, sondern sogar eine Überlegenheit der TAVI zeigte.

Der primäre Endpunkt bestehend aus Tod, Schlaganfall und Rehospitaliserung trat innerhalb eines Jahres signifikant seltener ein, wenn die Klappe minimalinvasiv versorgt worden war (Hazard Ratio 0,54). Professor Dr. Torsten Doenst von der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum Jena konnte diesen kombinierten Endpunkt allerdings „nicht ganz nachvollziehen“. Denn die Überlegenheit ergab sich vor allem aus den häufigen Rehospitalisierungen bei den Operierten. Studienteilnehmer seien laut dem Kollegen bereits am 4. Tag entlassen worden. „Da erwartet man per se schon eine sehr hohe Rate an Wiedereinweisungen.“

Langzeitdaten sind noch Mangelware

Bei der Sterblichkeit selbst fand sich immerhin eine Tendenz zugunsten des interventionellen Eingriffs. Das passt zu einer Metaanalyse der bisherigen TAVI-vs.-AKE-Studien. Ihr zufolge schneidet die TAVI in der perioperativen Phase hinsichtlich der Gesamtmortalität „tatsächlich besser ab“, räumte Prof. Doenst ein. Das große Manko: Langzeitdaten fehlen. Die Evolut-Low-Risk-Studie lief über zwei Jahre. Mit einem etwas anderen Endpunkt (Tod oder behindernder Schlaganfall) kam letztlich eine Nicht-Unterlegenheit des endovaskulären Verfahrens heraus, wie Professor Dr. Uta Hoppe­ von der Universitätsklinik für Innere Medizin II des Uniklinikums Salzburg ausführte.

Transkatheterklappe – auch eine Frage der Haltbarkeit

„Wenn wir in gesündere Patientenkollektive gehen, müssen wir die Funktion der Klappe beurteilen“, sagte Prof. Hoppe. Bereits moderate paravalvuläre Lecks beeinflussen die Prognose negativ. Mit älteren Systemen traten diese nach TAVI öfter auf als nach OP, wie z.B. PARTNER-2- und NOTION-Studie verdeutlichen (beides Fünf-Jahres-Daten). Mit einer neueren, genauer vermessenen Prothese häuften sich in PARTNER 3 ≥moderate Insuffizienzen nicht mehr im Vergleich zum AKE (innerhalb eines Jahres). Bezüglich der Haltbarkeit wartet die Studienlage grundsätzlich mit guten Nachrichten für die TAVI auf. Prof. Hoppe: „Wir scheinen – wenn wir wirklich gute Klappen einbauen – mit beiden Methoden eine vergleichbare Funktionalität zumindest innerhalb von sechs Jahren zu haben.“ Jedoch müsse das für jeden neuen Prothesentyp kontinuierlich evaluiert werden, egal ob transkatheter oder chirurgisch, ergänzte die Expertin. Dies sei gemeinsame Aufgabe von Kardiologen und Chirurgen.

Besonders in den ersten 30 Tagen überzeugte die TAVI u.a. durch weniger lebensbedrohliche Blutungen, neues Vorhofflimmern und akute Nieren­insuffizienzen. Jedoch brauchten mehr Teilnehmer mit minimalinvasiv implantierter Klappe einen permanenten Schrittmacher. In Bezug auf die Langzeitperspektive bei Jüngeren müsse man das „kritisch in die Waagschale legen“, gab Prof. Hoppe­ für die in Evolut Low Risk genutzte Prothese zu bedenken. Schließlich haben sowohl junge Patienten als auch diejenigen mit niedrigem OP-Risiko i.d.R. eine höhere Lebenserwartung. Fünf-Jahres-Daten zum Vergleich TAVI vs. AKE lieferte jüngst die PARTNER-2-Studie bei intermediärem operativem Risiko. Am Ende des Untersuchungszeitraums gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Eingriffen. Die Kurven für den primären Endpunkt (Tod oder behindernder Schlaganfall) kreuzten sich allerdings im Verlauf. Während innerhalb der ersten beiden Jahre die TAVI vorne lag, wuchs danach der Vorteil des AKE. Prof. Doenst sah in dieser Landmark-Analyse auf lange Sicht einen „Trend zum klassischen Verfahren“. In der Studie wurde aber fast jede vierte TAVI transthorakal durchgeführt. Aus älteren Daten geht hervor, dass der transapikale Zugang dem transfemoralen unterlegen ist, betonte Prof. Hoppe. So verwundert das Ergebnis der PARTNER-2-­Subgruppenbetrachtung nicht. In der trans­thorakalen Kohorte traten deutlich mehr Ereignisse auf als im OP-Arm. Dagegen fand sich in der transfemoralen kein Unterschied gegenüber dem invasiven Eingriff. „Wir sollten wirklich transfemoral implantieren“, appellierte die Kollegin deshalb. Dann scheine die Intervention dem chirurgischen Klappenersatz nicht unterlegen zu sein.

Real-World-Studien sprechen für Überlebensvorteil nach OP

Trotzdem glaubt Prof. Doenst, dass die TAVI langfristig noch nicht mit dem AKE mithalten kann. Bestätigt fühlt er sich durch drei Real-­World-Studien. So haben operierte Hochrisikopatienten laut einem französischen Register nach fünf Jahren nicht nur weniger Schlaganfälle, Myokardinfarkte und Schrittmacher als die gematchten minimalinvasiv Versorgten, sondern auch einen Überlebensvorteil. Dieser Langzeit-Mortalitätsbenefit geht aus einer italienischen Registerarbeit bei niedrigem und intermediärem Risiko sowie aus einer Hamburger Studie mit Niedrig­risikofällen ebenso hervor. Daher lautet das TAVI-Fazit des Jenaer Herzchirurgen: „Ganz trivial und klar zu sagen ‚so ist es jetzt‘ und die Indikation auf Jüngere auszuweiten, da wäre ich skeptisch.“

* Transcatheter Aortic Valve Implantation

Quelle: 15. DGK-Kardiologie-Update-Seminar