Proteinrestriktion auf dem Prüfstand Katabolie-Gefahr durch eiweißarme Diabetikerdiät

Autor: Birgit Maronde

Wie viel Protein sollten Menschen mit Diabetes und chronischer Niereninsuffizienz pro Tag zu sich nehmen? Wie viel Protein sollten Menschen mit Diabetes und chronischer Niereninsuffizienz pro Tag zu sich nehmen? © photka - stock.adobe.com

Bringt eine Eiweißrestriktion bei Niereninsuffizienz und Diabetes tatsächlich Vorteile? Neue Studiendaten und ein Cochrane-Review haben Zweifel an der gängigen Praxis gesät. Ein Kollege warnt vor den Folgen einer zu strikten Diät.

Wie viel Protein sollten Menschen mit Diabetes und chronischer Niereninsuffizienz pro Tag zu sich nehmen, um die Progression der renalen Erkrankung möglichst aufzuhalten? Eine Eiweißrestriktion auf täglich 0,6–0,8 g/kg, wie sie in manchen Leitlinien empfohlen wird, kann laut einem Cochrane-Review weder die Mortalität noch das Risiko für eine terminale Niereninsuffizienz beeinflussen, erklärte Prof. Dr. Tom Lindner von der Universitätsklinik für Endokrinologie, Nephrologie und Rheumatologie in Leipzig.

Beim Unterschreiten von 0,6 g/kg/d drohe sogar Kataboliegefahr mit Muskelschwund und drastischem Verlust der Lebensqualität. Das Katabolierisiko sei für Diabeteskranke, die sich proteinarm ernähren, absolut real und werde von ihren Ärztinnen und Ärzten nur selten bzw. gar nicht beachtet.

Dass eine tägliche Eiweißzufuhr von 1,0–1,2 g/kg die Sterblichkeit von Nierenkranken mit Typ-2-Diabetes senken kann, hat im letzten Jahr eine Studie mit 2.901 Betroffenen gezeigt. Für Teilnehmende mit einer Eiweißzufuhr in dieser Höhe wurde bezüglich der Gesamtmortalität eine Hazard Ratio von 0,65 errechnet. In der Altersgruppe ab 60 Jahren erachteten die Studienautorinnen und -autoren eine Proteinrestriktion auf 0,6–1,2 g/kg/d als vorteilhaft. Prof. Lindner bezeichnete die Aussagen dazu allerdings als „schwammig“.

Nach seiner Auffassung ist die Empfehlung für Diabeteskranke mit Niereninsuffizienz, die Eiweißzufuhr auf 0,6–0,8 g/kg pro Tag zu beschränken, nicht mehr haltbar. In den Empfehlungen der KDIGO* werde sie mittlerweile „weicher“ formuliert und ausführlicher diskutiert.

Die Niere scheidet Eiweiße aufgrund ihrer anorganischen Bestandteile als entsprechende Säuren aus, erläuterte der Kollege. Dies klappt bei vielen Patientinnen und Patienten selbst bei niedriger eGFR noch recht gut. Nur etwa 40 % derjenigen mit einer eGFR von 20 ml/min haben eine metabolische Azidose. Warum also soll man bei den anderen die Eiweißzufuhr ändern, obwohl keine Störung im Säure-Basen-Haushalt vorliegt? Prof. Lindner tut es bei seinen Patientinnen und Patienten mit Diabetes jedenfalls nicht – obwohl dies der Leitlinie widerspricht. Ihm erscheint die potenzielle Kataboliegefahr mit all ihren Konsequenzen als relevanter

*Kidney Disease: Improving Global Outcomes

Quelle: Diabetologie-Update-Seminar