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Kindern mit Magen-Darm-Beschwerden oder Erkältung ruhig Phytotherapeutika geben

Autor: Kathrin Strobel

Gegen so ziemlich jede Krankheit des Magen-Darm-Trakts ist ein Kraut gewachsen. Gegen so ziemlich jede Krankheit des Magen-Darm-Trakts ist ein Kraut gewachsen. © iStock/fotohunter
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Viele Eltern behandeln ihre Kinder lieber mit pflanzlichen Mitteln als mit der Chemiekeule. Studien bestätigen: „Natürliche“ Arzneistoffe haben in der Pädiatrie durchaus ihre Berechtigung – allerdings nur in bestimmten Einsatzgebieten.

Vor allem zur Behandlung von Beschwerden, für die es wenige oder keine gut wirksamen konventionellen Therapien gibt, sind Phytotherapeutika beliebt. Diese Anwendungsgebiete sind gleichzeitig auch die, für die es die meisten evidenzbasierten Studien gibt, nämlich Magen-Darm-Beschwerden, Atemwegsinfektionen und psychische Störungen, erklären Professor Dr. Alfred­ Längler­ vom Institut für integrative Medizin der Universität Witten/Herdecke und Kollegen.

In der Behandlung von Koliken erfreut sich Fencheltee – entweder allein oder in Kombination mit z.B. Kamille – großer Beliebtheit. Verschiedene Studien belegen die Wirksamkeit der Anwendung bei Säuglingen. Flohsamenpräparate können nachgewiesenermaßen Reizdarmbeschwerden lindern. Verdünnter Apfelsaft, Apfelpektin-Kamille-Fertigpräparate, Johannisbrot-Bohnen-Saft oder Blutwurztropfen kommen bei Gastroenteritiden zum Einsatz und sorgen für eine wirksame Linderung der Symptome, allen voran der Diarrhö.

Die beste Evidenz zur pflanzlichen Therapie von Kindern gibt es für die Wirksamkeit von Pelargonium sidoides bei Atemwegs­infektionen. Der Extrakt aus der Kapland-Pelargonie wird als Erstlinientherapie gegen Erkältungsbeschwerden der oberen Atemwege und streptokokkennegativer Tonsillitis eingesetzt. In Studien verminderte er die Schwere der Symptome, die Dauer der Infektion sowie den Paracetamolbedarf der damit behandelten Kinder signifikant. Zur Wirksamkeit anderer pflanzlicher Arzneistoffe zur Vorbeugung oder Behandlung von Erkältungskrankheiten (wie Echinacea-Präparate, Efeublatt-, Thymian- und Primelextrakte) gibt es keine eindeutige Evidenz.

Keine Empfehlung für Einsatz bei psychischen Störungen

Die Studienlage zur Phytotherapie psychischer Störungen ist dünn und die Aussagekraft der Forschungsergebnisse nicht ausreichend für eine Empfehlung, schreiben die Autoren. Dennoch greifen viele Eltern zu pflanzlichen Mittelchen, um die Beschwerden ihrer Kinder zu lindern. Die häufigsten Indikationsgebiete sind Depressionen bzw. depressive Stimmungen und die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung. Zur Behandlung der ADHS werden zum Beispiel Nachtkerzenöl, Ginkgo, Baldrian, Passionsblume und Safran eingesetzt; bei Depressionen ist vor allem Johanniskraut beliebt. Zwar konnte für alle genannten Pflanzen ein gewisser Effekt gezeigt werden – die Qualität der pädia­trischen Studien reiche jedoch nicht aus, um deren Einsatz als Erstlinientherapeutika bei psychischen Störungen zu empfehlen, so das Fazit der Kollegen.

Datenlage zu Neben- und Wechselwirkungen ist limitiert

Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten unter der Therapie mit pflanzlichen Arzneistoffen in keiner der Studien auf. Allerdings weisen die Autoren darauf hin, dass vor allem im Bereich psychischer Störungen die Datenlage zu Neben- und Wechselwirkungen der eingesetzten Pflanzen und Pflanzenstoffe sehr limitiert ist. Hierzu bedarf es weiterer Untersuchungen – umso mehr, da die Behandlung mit Phytotherapeutika meist im Rahmen der Selbstmedikation und ohne ärztliche Verordnung erfolgt und viele Eltern homöopathische und pflanzliche Medikamente gleichsetzen.

Quelle: Längler A et al. Monatsschr Kinderheilkd 2019; 167: 768-777