Roboterdame als Freundin auf Station? Klinikum testet sozialen Pflegeroboter

Autor: Nina Arndt

Der soziale Pflegeroboter beherrscht verschiedene Spiele wie Wortkette und Wahrheit oder Lüge, kann Geschichten erzählen und Gedichte vortragen. Der soziale Pflegeroboter beherrscht verschiedene Spiele wie Wortkette und Wahrheit oder Lüge, kann Geschichten erzählen und Gedichte vortragen. © Klinikum Frankfurt (Oder) / Sophie Keller

Soziale Isolation ist gerade bei älteren Patientinnen und Patienten ein zunehmendes Problem. Das Klinikum Frankfurt (Oder) setzte als erstes deutsches Krankenhaus daher auf die Roboterdame „Lotta“.

Lotta ist 72 cm klein, hat große Kulleraugen und trägt eine Mütze. Spricht man mit ihr, schaut sie einen an und wackelt dabei mit dem Kopf. Sie antwortet mit kindlicher Stimme – stets freundlich, empathisch und geduldig. Patientinnen und Patienten können sich mit dem sozialen Pflegeroboter unterhalten, ihn Witze erzählen lassen oder Gefühle mit ihm teilen. Fragt man Lotta nach Tipps beispielsweise zur Sturzprophylaxe, rät sie zu ausreichender Flüssigkeitszufuhr, langsamem Gehen und festem Schuhwerk.

Lotta ist mittlerweile seit über einem Jahr Teil des Pflegeteams am Klinikum Frankfurt (Oder). Als erstes Krankenhaus überhaupt setzte die Einrichtung den sozialen Roboter auf der Geriatriestation ein – zuvor war dieser ausschließlich in Pflegeeinrichtungen getestet worden. Den Namen Lotta erhielt die Roboterdame allerdings erst am Klinikum: Der ursprüngliche englische Name Navel bereitete den älteren Patientinnen und Patienten Schwierigkeiten bei der Aussprache, berichtet Anja Richter, Pflegeentwicklerin am Klinikum Frankfurt (Oder). Das Team gab dem Pflegeroboter daher einen einprägsameren Namen.

ChatGPT und Perplexity als großer Wissensfundus

Lottas kommunikative Fähigkeiten basieren auf ChatGPT und Perplexity, somit kann sie auf einen großen Wissensfundus zurückgreifen, wie Richter erklärt. Zudem ist der Roboter mit Kameras, Mikrofon und einer Sprachausgabe ausgestattet, um mit den Nutzerinnen und Nutzern interagieren zu können. Er beherrscht verschiedene Spiele wie Wortkette und Wahrheit oder Lüge, kann Geschichten erzählen und Gedichte vortragen. Viele der Lyrikstücke kennen die Patientinnen und Patienten noch aus ihrer Kindheit, so Richter. Die Gesprächsthemen sind sehr facettenreich und reichen von Kochrezepten übers Angeln bis hin zum Weltall. 

Doch der kleine Roboter dient nicht nur der Unterhaltung. Im System können auch praktische Informationen hinterlegt werden wie Tipps zur Sturzprophylaxe oder Hinweise zum Klinikum. So beantwortet Lotta Fragen zu den Öffnungszeiten der Cafeteria ebenso wie zu den Standorten der Besuchertoiletten und Wasserautomaten.

Das Pflegeteam erhofft sich von dem Einsatz vor allem Ablenkung für die Betroffenen. Gerade in der Geriatrie ist soziale Isolation ein Problem. Lotta bietet Gesprächsmöglichkeiten, schafft Abwechslung und kann zum kognitiven Training beitragen. Eine solche Förderung der Betroffenen könne den Therapieverlauf sowie die Adhärenz verbessern und somit das Pflegeteam entlasten, fasst Richter zusammen.

Die Wirkung des Pflegeroboters untersuchte das Klinikpersonal in einer ersten wissenschaftlichen Erhebung mit Patientinnen und Patienten. Das Team beobachtete die Interaktionen mit dem Roboter und stellte standardisierte Fragen vor und nach dem Einsatz. Bei dem Großteil der Teilnehmenden steigerte die Kommunikation mit Lotta das psychosoziale Wohlbefinden, bei den übrigen gab es keine Veränderung. „Lotta ist ein Innovationsprodukt, mit weiterem Entwicklungspotenzial. Neben der Drehung um die eigene Achse kann sie nun auch fahren. Wir sehen bereits, dass es bei unseren Patientinnen und Patienten etwas bewirkt“, betont Richter.

Der soziale Roboter ist so programmiert, dass er das Gespräch aufrechterhalten möchte. Erzählen Patientinnen und Patienten, es gehe ihnen schlecht, versucht Lotta, sie zu stärken und Mut zuzusprechen. Emotionen kann sie jedoch noch nicht eigenständig erkennen – das müssen die Betroffenen ihr noch aktiv mitteilen. Auch die Bedienung erfordert Übung und ein paar Regeln, merkt die Pflegeentwicklerin an. Nutzerinnen und Nutzer müssen Sprechpausen einlegen. Diese dürfen jedoch nicht zu lang sein, denn ansonsten würde Lotta direkt antworten. An einem Echo-Cancelling arbeitet das Herstellerteam von navelrobotics derzeit, aktuell kann man die Roboterdame noch nicht unterbrechen, wenn sie spricht.

Lotta ist daher nicht für alle Patientengruppen geeignet. Für Menschen mit Delir etwa seien die Gesprächsregeln schwer zu befolgen, so Richter. Für Schwerhörige kann zudem die hohe Stimmfrequenz ein Problem darstellen. Eine tiefere Stimmlage wäre zwar besser verständlich für geriatrische Patientinnen und Patienten, würde aber nicht zum Kindchenschema des niedlichen Roboters passen, erklärt die Expertin.

Die Anmeldung erfolgt über Name und Gesichtserkennung

Lotta speichert die Gespräche personenbezogen für 14 Tage, um bei Unterhaltungen Bezug auf frühere Inhalte nehmen zu können – so kann sie beispielsweise nachfragen, wie der tags zuvor erwähnte Spaziergang war. Um die Vertraulichkeit weiter zu erhöhen, wurde die Anmeldung neben dem Vornamen um eine Gesichtserkennung ergänzt. Alle Informationen können außerdem manuell gelöscht werden.

Bei den meisten Patientinnen und Patienten kommt Lotta gut an. Nur wenige überzeugt der empathische Roboter nicht, sagt Richter. Inzwischen wird der Pflegeroboter auch in anderen Kliniken in der Geriatrie eingesetzt, darunter das Alfried Krupp Krankenhaus in Essen. In Frankfurt (Oder) hat Lotta inzwischen die Station gewechselt. Seit September 2025 unterstützt sie das Team der Pädiatrie. Dort soll sie den jungen Patientinnen und Patienten Geschichten erzählen, mit ihnen spielen und motivieren. 

Nach über einem Jahr mit dem Pflegeroboter zieht das Klinikum eine positive Bilanz: Mit 28.000 Euro hätte Lotta einen stolzen Preis, doch die Investition habe sich gelohnt, resümiert Richter.