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Könnte es Krebs sein? Diagnosestrategie für unspezifische Beschwerden erprobt

Autor: Dr. Judith Lorenz

Die multidisziplinären Diagnosezentren sollen dafür sorgen, dass Krebs auch ohne typische Symptome frühzeitig erkannt wird. Die multidisziplinären Diagnosezentren sollen dafür sorgen, dass Krebs auch ohne typische Symptome frühzeitig erkannt wird. © Giovanni Cancemi – stock.adobe.com
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In England gibt es multidisziplinäre Diagnosezentren, die helfen sollen Krebs bei unspezifischen Symptomen früher zu erkennen. Eine Datenauswertung ergab: Acht Prozent der dorthin Überwiesenen litten tatsächlich an einem Tumor.

Manifestieren sich Krebs­erkrankungen nicht mit typischen Symptomen, sondern in Form unspezifischer Leiden, werden sie oft erst spät erkannt. Das verschlechtert die Prognose der Betroffenen erheblich. In Großbritannien gibt es daher seit einigen Jahren multidisziplinäre Diagnosezentren, die den Prozess beschleunigen sollen.

Zehn Pilotzentren beteiligen sich an fünf regionalen Projekten. Ziel des Programms ist es, Patienten mit unspezifischen, aber möglicherweise auf eine Krebserkrankung hindeutenden Symptomen schnellen Zugang zu einer interdisziplinären Diagnostik zu ermöglichen. In den multidisziplinären Diagnosezentren klären Mediziner 13 verschiedene Beschwerden ab, darunter:

  • unklarer Gewichtsverlust,
  • Schmerzen,
  • gastrointestinale Phänomene,
  • Ikterus,
  • Anämie,
  • Hyper­kalzämie sowie
  • Fatigue.

Auch einem durch einen Allgemein­mediziner gestellten Verdacht wird nachgegangen. Die gelisteten Symptome haben gemeinsam, dass sie in Großbritannien üblicherweise keine dringliche krebsspezifische Abklärung rechtfertigen.

Acht Prozent der Untersuchten erhielten eine Krebsdiagnose

Wie gut das Konzept funktioniert, untersuchte Dave Chapman­ von Cancer Research UK in London gemeinsam mit Forscherkollegen. Die Wissenschaftler werteten die Daten von 2961 Patienten aus, welche zwischen Projektbeginn Ende 2016 und Mitte 2018 an die Pilotzentren vermittelt wurden. Das durchschnittliche Alter betrug 67 Jahre, 44 % waren Männer.

Als häufigster Überweisungsgrund stellte sich der Gewichtsverlust heraus, gefolgt vom durch einen Allgemeinmediziner gestellten klinischen Verdacht sowie Schmerzen. 61 % der Betroffenen klagten über mehr als eines der gelisteten Symp­tome. Von den 2961 überwiesenen Personen erhielten 240 (8 %) schließlich eine Krebsdiagnose. In 16 Fällen handelte es sich dabei um ein Rezidiv. Bei je 22 % der Patienten wurden Karzinome des oberen Gastrointestinaltrakt bzw. der Lunge diagnostiziert. Mit je 13 % waren Tumoren des unteren Gastrointestinaltrakt und der urologischen Organe bzw. hämatologische Entitäten vertreten. Auch einige seltene Malignome, wie Sarkome, wurden erkannt.

Es bestand ein signifikanter Zusammenhang zwischen höherem Alter und einer Krebsdiagnose, schreiben die Autoren. Auch der durch einen Allgemeinmediziner gestellte Verdacht erwies sich als starker Prädiktor. Für Patienten mit mehr als drei Hausarztkonsultationen vor der Überweisung war hingegen die Wahrscheinlichkeit, Krebs zu haben, signifikant geringer.

Auswirkungen auf Prognose der Betroffenen bislang unklar

Das Programm der Diagnosezentren hat das Potenzial eines festgelegten Überweisungsprozesses in England aufgezeigt, schlussfolgern die Forscher. Offen sei, inwiefern sich das Konzept auf das Outcome der Patienten auswirkt und welche ökonomischen Belastungen damit verbunden sind.

Quelle: Chapman D et al. Br J Cancer 2020; 123: 722-729; DOI: 10.1038/s41416-020-0947-y