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Biomarker Kollege KI, bitte zum Konsil!

Autor: Manuela Arand

Auf der Grundlage von maschinellem Lernen lassen sich die unterschiedlichsten Variablen so in experimentelle Rechenmodelle integrieren, dass die vorgeschlagenen Diagnosen, Prognosen und Therapien immer genauer werden. Auf der Grundlage von maschinellem Lernen lassen sich die unterschiedlichsten Variablen so in experimentelle Rechenmodelle integrieren, dass die vorgeschlagenen Diagnosen, Prognosen und Therapien immer genauer werden. © iStock/Yuuji
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Eigentlich sollen Biomarker dem Arzt das Leben erleichtern. Doch es gibt immer mehr von ihnen, das Dickicht aus Messwerten und Befunden wird zusehends unübersichtlicher. Für mehr Durchblick könnte Künstliche Intelligenz sorgen.

Biomarker können Fluch und Segen zugleich bedeuten. Ein gutes Beispiel dafür ist der Troponinwert. Zwar gilt die Bestimmung dieses Markerproteins im Blut als labormedizinischer Standard im Rahmen der Infarktdiagnostik. Doch das Messergebnis unterliegt einer ganzen Reihe von Einflüssen, die es bei der Interpretation des Resultats unbedingt zu berücksichtigen gilt, erklärte Prof. Dr. Till Keller von der Medizinischen Klinik I für Innere Medizin und Kardiologie der Universität Gießen.

Jedem Kardiologen und jedem Notarzt ist klar, dass Troponin ein sehr dynamischer Parameter ist, dessen Serumspiegel etwa vom Zeitpunkt der Blutabnahme abhängt, aber auch vom Ausmaß eines Infarkts. Allein schon Art und Typ des verwendeten Testsystems beeinflussen das Ergebnis, so der Referent. „Jeder Assay erfasst ein etwas anderes Epitop.“ Deshalb hat auch jeder Test seinen eigenen Cut-off. Und dem Myokardschaden, den die erhöhten Troponinwerte anzeigen, muss nicht zwangsläufig ein Infarkt zugrunde liegen. Ursächlich können neben Herzinsuffizienz, Myokarditis oder Klappenschäden auch eine Lungenembolie oder Arzneimitteltoxizitäten sein.

Zudem beeinflussen Geschlecht, Alter und Nierenfunktion des Patienten die Messwerte in nicht unerheblichem Maße. Nicht zu vergessen der Sport, der – wenn zu intensiv betrieben – zu Muskelschäden führen kann. All das lässt sich kaum berücksichtigen, wenn man den Troponinwert als Akutparameter und als Grundlage für schnelle Entscheidungen in der Notaufnahme heranzieht, meinte Prof. Keller.

Demografische Daten lassen sich leicht rausrechnen

Für Variablen wie Alter, Geschlecht und Nierenfunktion lassen sich die Messwerte statistisch noch ohne weiteres adjustieren, so der Referent. Somit könne man verhältnismäßig schnell einen einfachen Algorithmus samt App programmieren und auf diese Weise den adjustierten Troponinwert errechnen und ausgeben.

Nach weitaus mehr Daten verlangt ein Programm für die Risikokalkulation bei Herzinsuffizienz, das Kardiologen aus Barcelona entwickelt haben. Der BCN Bio-HF Calculator erfordert die Eingabe einer ganzen Reihe klinischer Variablen, zudem fragt das Programm aktuelle Therapien und die Werte für die Herzbiomarker hs-cTnT, ST2 und NT-proBNP ab. „Damit kann ich auf die individuelle Ebene gehen und das Risiko für jeden einzelnen Patienten berechnen lassen“, erläuterte Prof. Keller. Der Kalkulator gibt die Ergebnisse als Tabellen und Kurven aus, sodass sich klar erkennen lässt, welchen Einfluss ein ganz bestimmter Wert hat und ob ein einzelner Parameter die Risikoeinschätzung höher oder niedriger ausfallen lässt.

KI-Befunde werden mit der Zeit immer präziser

Während das alles nur reine Rechenleistung und gewöhnliche Statistik ist, geht Künstliche Intelligenz einen deutlichen Schritt weiter. Wie der Referent darlegte, lassen sich auf der Grundlage von maschinellem Lernen die unterschiedlichsten Variablen so in experimentelle Rechenmodelle integrieren, dass die vorgeschlagenen Diagnosen, Prognosen und Therapien immer genauer werden.

Ein Bereich, in dem Kollege Computer den Menschen schon längst schlägt, ist die Auswertung von Bildgebungsbefunden. Kürzlich ließ sich zeigen, dass KI anhand von Röntgenbildern Aortenklappenstenosen nicht nur treffsicher erkennt, sondern auch deren Schweregrad erfasst. KI kann sogar Phonokardiogramme analysieren und wird möglicherweise in nicht allzu ferner Zukunft das Stethoskop ersetzen. „Das Spannende ist, dass ich dafür gar keine hochkomplexe Technologie brauche“, meinte Prof. ­Keller. Es reiche, wenn der Patient seine Herztöne mit dem Smartphone einfängt und übermittelt. Den Rest erledige die KI.

Quelle: 88. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie