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Brustkrebs Komplementäre Maßnahmen können Beschwerden von Tumorpatientinnen lindern und die Lebensqualität verbessern

Autor: Mascha Pömmerl

Der Hands-on-Kurs „Praktische Anwendungen aus der integrativen Onkologie“ im Rahmen des DGGG vermittelte konkrete Vorgehensweisen wie komplementäre Behandlungskonzepte in den Klinik- oder Praxisalltag eingebunden werden können. Der Hands-on-Kurs „Praktische Anwendungen aus der integrativen Onkologie“ im Rahmen des DGGG vermittelte konkrete Vorgehensweisen wie komplementäre Behandlungskonzepte in den Klinik- oder Praxisalltag eingebunden werden können. © peterschreiber.media – stock.adobe.com
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Komplementäre Maßnahmen spielen vor allem in der Therapie des Mammakarzinoms eine immer wichtigere Rolle. Das liegt zum einen an den antihormonellen Therapien, die belastende Symptomkomplexe wie Hitzewallungen, Gelenkschmerzen und Schlafstörungen hervorrufen können, die sich schulmedizinisch schwierig in den Griff bekommen lassen. Zum anderen sind gerade Frauen und vor allem junge Patientinnen offen für die Komplementärmedizin und möchten gerne selbst etwas gegen Nebenwirkungen von Chemo- und Hormontherapien unternehmen.

Im Medizinstudium wird kaum auf komplementäre Maßnahmen eingegangen. Um Ärzt:innen die Scheu vor der Thematik zu nehmen und zu zeigen, wie komplementäre Behandlungskonzepte in den Klinik- oder Praxisalltag eingebunden werden können, vermittelte der Hands-on-Kurs „Praktische Anwendungen aus der integrativen Onkologie“ im Rahmen des DGGG ganz konkrete Vorgehensweisen. Dabei stellte die Leiterin des Workshops, Dr. ­Daniela­ Paepke, Frauenklinik im Klinikum rechts der Isar in München und stellvertretende Vorsitzende der AGO Kommission Integrative Medizin in der Onkologie, klar, dass komplementäre Maßnahmen in der gynäkologischen Onkologie leitliniengemäß im Sinne einer integrativen Onkologie eingesetzt werden, also nicht alternativ, sondern die schulmedizinische Tumortherapie ergänzend.

Akupunktur und Akupressur

Dr. Claudia Hohmann­ von der Frauenklinik der Uniklinik Köln gab einen Überblick zu Einsatzmöglichkeiten der Akupunktur zur Linderung von Schmerzen, chemotherapieinduzierter Übelkeit und Erbrechen (CINV) und Polyneuropathien (PNP). In der Chemoambulanz der Frauenklinik Köln sei die Akupunktur das am häufigsten begleitend zur Chemotherapie angewendete komplementäre Verfahren, so Dr. Hohmann­. In einer aktuellen Metaanalyse erwies sich Akupunktur bei onkologischen Patient:innen als sicher.1 In der S3-Leitlinie Komplementärmedizin erhält die Akupunktur eine Reihe von Kann-Empfehlungen. Dr. Hohmann setzt Akupunktur häufig zur Linderung von trotz prophylaktischer Antiemese auftretender CINV ein und macht sehr gute Erfahrungen mit Ohrakupunktur durch Ohrnadeln und Ohrkügelchen sowie mit Akupressur durch ein am Handgelenk getragenes Akupressurband.

Die balancierte Ohrakupunktur nach Seeber vermittelt das Yase-Institut. Auch bei Schmerzen, speziell durch Aromatasehemmer induzierten Gelenkschmerzen, sei Akupunktur hilfreich und die Studienlage sehr gut, so Dr. ­Hohmann. Trotz weniger guter Studienlage gelinge ihrer Erfahrung nach die Besserung der chemotherapieinduzierten PNP mit Akupunktur in der Klinik sehr gut. Eine PNP-Prophylaxe sei mit Akupunktur aber nicht möglich. Ein Aspekt der Wirksamkeit der Akupunktur beruhe möglicherweise darauf, dass ein Gegenreiz zu den Beschwerden gesetzt werde, so die Kollegin.

Misteltherapie

Die Misteltherapie wird in der integrativen Onkologie zur Verbesserung der Lebensqualität, Linderung von belastenden Symptomen sowie Immunmodulation und Infektprophylaxe eingesetzt, nicht aber zur Hemmung des Tumorwachstums oder Rezidivprophylaxe. In der S3-Leitlinie Komplementärmedizin erhält die subkutane Gabe von Mistelgesamtextrakt eine Kann-Empfehlung zur Verbesserung der Lebensqualität. Die Kommission Mamma der AGO hat eine „+/-“-Empfehlung für Mistellektine zur Verbesserung therapieassoziierter Nebenwirkungen vergeben.

Die Wirkungen der Misteltherapie werden im Wesentlichen durch die Mistellektine und Viscotoxine hervorgerufen – Eiweißsubstanzen, die von der Mistel gebildet werden. Aus diesem Grund kann eine Misteltherapie nicht oral erfolgen, sondern die Mistelextrakte werden subkutan gespritzt. Dabei ist wichtig, dass der Gesamtextrakt appliziert wird. Nur er kann die komplexen Wirkungen erzielen, wie unter anderem die Aktivierung des Immunsystems, die Erhöhung der Körpertemperatur und die Steigerung der Lebensqualität durch Endorphinausschüttung, wie Dr. Anne ­Quenzer und Dr. ­­Jessica Salmen­ von der Universitätsfrauenklinik in Würzburg erläuterten.

Von welchem Wirtsbaum der Extrakt stammt, ist am Präparatenamen zu erkennen:

  • M für malus (Apfelbaum)
  • P für pinus (Kiefer)
  • A für abies (Tanne)

Die Produkte der verschiedenen Hersteller seien aber nicht äquivalent und deshalb unter Therapie nicht austauschbar, so die Expertinnen. Eine Misteltherapie kann zu jedem Zeitpunkt der onkologischen Standardtherapie verabreicht werden. Interaktionen mit diesen sind nicht bekannt, auch nicht bei immunonkologischen Therapien, sagte Dr. Paepke­. Auch bei Therapien mit Checkpoint-Inhibitoren könne eine – niedrig dosierte – Misteltherapie durchgeführt werden, wobei wichtig sei, langsam anzufangen.

Als Zeichen der Wirksamkeit der Misteltherapie können ab dem Injektionstag kurzfristig eine Allgemeinreaktion mit grippeähnlichen Symptomen, ein Temperaturanstieg bis maximal 38 °C und eine Lokalreaktion an der Injektionsstelle sowie eine Modulation von Laborwerten wie der Leukozytenzahlen auftreten. Eine überschießende Lokalreaktion von mehr als 5 cm Durchmesser deutet auf eine zu hohe Dosierung. Grundsätzlich könne man sich bei allen Fragen an den medizinischen Dienst der betreffenden Firma wenden.

Äußere Anwendungen

Äußere Anwendungen wie Auflagen, Wickel und Güsse gehören zur erfahrungsbasierten Medizin. „Dazu findet man kaum Empfehlungen in S3-Leitlinien, aber man kann Betroffenen etwas an die Hand geben, was sie selbst zu Hause für sich tun können“, erklärte Dr. ­Simone Linsenbühler­, Klinikum Nürnberg. Sie verwies auf die Internetseite www.vademecum.org, die zu Therapiemöglichkeiten mit anthroposophischer Medizin informiert. Wickel erreichten auch tiefer liegende Organe, betonte die Referentin.

Ihrer Erfahrung nach würden Schlafstörungen von den Betroffenen zu oft hingenommen. Aus diesem Grund sollten Ärzt:innen und Pflegende aktiv danach fragen. Als hilfreich hätten sich abendliche Fußbäder mit Unterschenkelwaschung mit Lavendel oder Melisse-Öl und bei Angst und innerer Unruhe eine kurze Fußmassage mit Lavendelöl erwiesen „Dabei ist es wichtig, die Füße festzuhalten, um der Unruhe entgegenzuwirken“, betonte Dr. Linsenbühler­. Ätherische Öle dürften niemals direkt auf die Haut aufgebracht werden, sondern immer mit einem Trägeröl. Auch Wassertreten und ein kurzes kaltes Fußbad oder ein absteigender Wadenguss, nasse Strümpfe vor dem Zubettgehen, aber auch Vollbäder bei 36 °C - 38 °C für maximal 15 Minuten mit Zusätzen von Lavendel oder Melisse helfen bei Schlafstörungen.

Quellen:
1. Höxtermann MD et al. Cancer 2022; 128: 2159-2173
Paepke D, Hohmann C, Quenzer A, Salmen J, Linsenbühler S. 64. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V.; Hands-on-Kurs „Praktische Anwendungen aus der Integrativen Onkologie (auf Grundlage der neuen S3-Leitlinie)“