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Vagusnerv-Stimulation Magen an Großhirn, Magen an Großhirn!

Autor: Dr. Judith Lorenz

Den Wissenschaftlern gelang es nun erstmals, die Magen-Hirn-Kopplung von außen gezielt zu beeinflussen. Den Wissenschaftlern gelang es nun erstmals, die Magen-Hirn-Kopplung von außen gezielt zu beeinflussen. © RFBSIP – stock.adobe.com
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Über die Stimulation des Vagusnervs am Ohr lässt sich die Kommunikation zwischen Magen und Gehirn beeinflussen. Das haben Forscher aus Tübingen und Bonn gezeigt.

Damit der menschliche Organismus jederzeit ausreichend mit Energie versorgt wird, kommunizieren Stoffwechselorgane wie der Magen mit dem Gehirn: Der Vagusnerv leitet afferente Informationen von den gastrischen Chemo- und Mechanorezeptoren zum Nucleus tractus solitarii, einem im Hirnstamm gelegenen viszerosensorischen Hirnnervenkern, und vermittelt auf diese Weise das Hunger- und Sättigungsgefühl. Umgekehrt steuert der Vagusnerv über efferente Signale die Magenperistaltik. Die Kommunikation zwischen den Organen erfolgt über ein besonderes Netzwerk im Gehirn, das mit den myoelektrischen Signalen des Magens gekoppelt ist, erläutert ein deutsches Forscherteam um Sophie­  ­Müller von den Universitäten Tübingen und Bonn sowie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in Potsdam und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung. 

Den Wissenschaftlern gelang es nun erstmals, die Magen-Hirn-Kopplung von außen gezielt zu beeinflussen: Durch eine nicht-invasive transkutane Stimulation des Vagusnervs am Ohr konnten sie die Kommunikation zwischen dem Magen und dem Gehirn innerhalb von Minuten verstärken. An der randomisierten Cross-over-Studie nahmen 31 gesunde Freiwillige teil. Alle absolvierten sowohl eine Vagusnervstimulation am Ohr als auch eine Scheinintervention, wobei die Forschenden jeweils zeitgleich mittels funktioneller Magnetresonanztomografie die Hirnaktivierung und mittels Elektrogastrogramm Magensignale der Teilnehmenden aufzeichneten. 

Die elektrische Vagusnervstimulation intensivierte die Kopplung zwischen den myoelektrischen Signalen des Magens und den Hirnsignalen im Hirnstamm und im dopaminergen Mittelhirn. Darüber hinaus beobachteten die Forschenden im gesamten Gehirn, unter anderem in Kortexregionen, eine verstärkte Magen-Hirn-Kopplung, welche mit einer Zunahme des subjektiven Hungergefühls der Probanden einherging.

Das gastrische Netzwerk ist offensichtlich extern stimulier- und manipulierbar, schlussfolgern die Forscher. Sie sehen hier ein großes Potenzial für neuromodulatorische Therapien bei Erkrankungen mit gestörter Kommunikation zwischen dem Körper und dem Gehirn wie der Adipositas oder Essstörungen.

Quellen:
1.    Müller SJ et al. Brain Stimul 2022; DOI: 10.1016/j.brs.2022.08.019
2.    Gemeinsame Pressemitteilung der Unikliniken Tübingen und Bonn