Anzeige

Reizgasexposition Nach Demo und Hochzeit auf Intensiv

DGIM 2022 Autor: Maria Weiß

Im aktuellen Fall der jungen Frau wird das Reizgas für das Capillary-Leak-Syndrom verantwortlich gemacht. (Agenturfoto) Im aktuellen Fall der jungen Frau wird das Reizgas für das Capillary-Leak-Syndrom verantwortlich gemacht. (Agenturfoto) © iStock/Hispanolistic
Anzeige

Kommen Patienten mit Fieber, Husten, Schmerzen und Dyspnoe in die Notaufnahme, liegt der Verdacht auf SARS-CoV-2 nahe – vor allem wenn es sich zuvor gesunde Reiserückkehrer handelt. Bei einer 25-Jährigen blieb der PCR-Test aber negativ und ihr Zustand verschlechterte sich dramatisch.

Eine 25-jährige Frau stellte sich mit Fieber, Husten, Ganzkörper- und Kopfschmerzen sowie Dyspnoe in der Notaufnahme vor. Die Patientin war kürzlich von einem Türkeiurlaub zurückgekehrt. In der Medikamentenanamnese gab sie nur Kontrazeptiva an. Der PCR-Test auf SARS-CoV-2 blieb negativ. Das Röntgenbild und die Laborwerte mit Leukozytose und stark erhöhtem CRP ließen Prof. Dr. Daniel Drömann und sein Team von der Medizinischen Klinik III am Universitätsklinikum Lübeck zuerst an eine ambulant erworbene, bakterielle atypische Pneumonie denken. Auffällig war bei der jungen, bisher völlig gesunden Frau bereits jetzt ein deutlich erniedrigter Sauerstoffpartialdruck (pO2) von 51 mmHg.

Es wurde eine kalkulierte antibiotische Therapie mit Ceftriaxon und Levofloxacin begonnen, sie konnte aber die rasche Verschlechterung nicht aufhalten. Noch in der Nacht sank der pO2 trotz Sauerstoffgabe weiter ab. Die Patientin musste intubiert und beatmet werden und man stand bei einer fast völlig verschatteten Lunge praktisch mit dem Rücken zur Wand.

Thorax-CT und Bronchoskopie brachten weiteren Aufschluss. Es zeigte sich makroskopisch eine alveoläre Hämorrhagie mit einem Neutrophilen-Anteil in der bronchoalveolären Lavage von 91 %. Blutkulturen, serologische Untersuchungen sowie antinukleäre/ anti-neutrophile zytoplasmatische Antikörper und Antibasalmembran-Antikörper waren negativ, sodass die Kollegen die Diagnose eines toxischen Capillary-Leak-Syndroms mit unbekanntem Auslöser stellten. Unter hoch dosiertem Methylprednisolon besserten sich innerhalb von 24 Stunden Symptomatik und radiologischer Befund, die Patientin konnte extubiert werden.

Damit ergab sich die Möglichkeit zu einer genaueren Anamnese. Die junge Frau berichtete, in der Türkei auf einer Demonstration gewesen zu sein, bei der wohl auch Reizgas zum Einsatz kam. Danach hätte sie noch auf einer Hochzeit viel getanzt.

Der Fall ähnelt dem Bericht über fünf US-Marines, die während einer Truppen-Übung Kontakt mit einem 2-chlorbenzylidenmalonsäuredinitrilhaltigem Tränengas (CS-Gas) hatten. Nach zusätzlicher starker körperlicher Belastung entwickelten die Männer 36–84 Stunden später Hämoptysen, vier wurden wegen schwerer Hypoxie intensivpflichtig. 72 Stunden später war der Spuk wieder vorbei und eine Woche danach die Lungenfunktion der Soldaten komplett wiederhergestellt. Somit wurde auch im aktuellen Fall der jungen Frau das Reizgas für das Capillary-Leak-Syndrom verantwortlich gemacht.

Quelle: 128. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin