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Krebstherapie Neue Angriffsziele allein reichen nicht – man muss sie sinnvoll verbinden

ESMO 2022 Autor: Dr. Daniela Erhard

Personen mit Prostatakarzinom und Knochenmetastasen sprechen schlechter auf eine ICI an als diejenigen, deren Tumor in anderes Gewebe gestreut hat.

Personen mit Prostatakarzinom und Knochenmetastasen sprechen schlechter auf eine ICI an als diejenigen, deren Tumor in anderes Gewebe gestreut hat. © Mopic – stock.adobe.com
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Wenn Immuntherapien versagen, herrscht oft Ratlosigkeit. Mittlerweile versteht man besser, wie komplex das Zusammenspiel im Abwehrsystem ist – und wie man daraus stärkeren therapeutischen Nutzen ziehen könnte.

Es gibt kaum eine Krebserkrankung, bei der Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) noch keine Rolle spielen. Trotzdem helfen auch sie nicht allen Patient:innen gleichermaßen. So sprechen Personen mit Prostatakarzinom und Knochenmetastasen schlechter auf eine ICI an als diejenigen, deren Tumor in anderes Gewebe gestreut hat.

Das könnte an der Regulation der tumorspezifischen Immunabwehr liegen. Denn die ist extrem kompliziert gestaltet, und längst sind nicht alle Mechanismen bekannt. Viele Expert:innen sehen die Zukunft daher nicht nur in neuen Angriffszielen, sondern vor allem in der Kombination mehrerer Abwehrwege.

Die Resistenz der Knochenmetastasen beim Prostatakarzinom könnte man eventuell mit einer ergänzenden TGFβ-Blockade überwinden, erläuterte Prof. Dr. P­admanee Sharma vom M.D. Anderson Cancer Center in Houston.1 Sie hatte gemeinsam mit Kolleg:innen beob­achtet, dass eine ICI anders als bei Weichteil­metastasen u.a. zu einem deutlichen Anstieg des TGFβ-Levels in den betroffenen Knochen führte. Hemmten die Wissenschaftler:innen im Tierversuch zusätzlich den Wachstumsfaktor, verkleinerten sich die Metastasen und die Überlebensraten wurden besser. Die Kombination untersuche man jetzt in klinischen Studien.

Auch für Prof. Dr. Sebastian ­Kobold von der LMU München gehören Ansätze, die das Zytokin TGFβ neutralisieren, zu den interessanten.2 Es gebe bereits ein bifunktionales Fusionsprotein (Bintrafusp alfa), das sowohl TGFβ als auch PD-L1 bindet und experimentell über verschiedene HPV-positive Tumoren hinweg eine Regression und ein komplettes Ansprechen ermöglichte.

Ebenfalls im Fokus stehen laut Prof. Kobold die Interleukine, wobei es aber immer wieder Rückschläge gebe. Erst kürzlich mit dem IL-1-Hemmer Canakinumab: Nachdem er in einer anderen Studie mit einem bis zu 67 % geringeren Krebsrisiko assoziiert war, brachte der Antikörper als Therapeutikum nicht den erhofften Nutzen.

Besser kleinere Interleukine anstelle der "Big Player"

Eine generelle Schwierigkeit sei, dass Zytokine das Tumorwachstum nicht nur ankurbeln, sondern gleichzeitig auch kontrollieren könnten, sagte der Experte. Man müsse noch mehr darüber wissen, wie sie ihre Funktion erfüllen und die Angriffsziele genauer umgrenzen: „Vielleicht sind kleinere oder nachgeschaltete Interleukine, wie IL-22, geeigneter zur Kontrolle als die Big Player.“

Impfungen gegen Krebs

Auch Impfungen könnten einen guten Partner für eine ICI oder andere Behandlungen abgeben und die Diversität tumorspezifischer Immunantworten vergrößern. Die Vakzinen lassen sich genau an die Patientin bzw. den Patienten anpassen. Noch ist es aber aufwendig, solche personalisierten Impfstoffe herzustellen. Ergebnisse gibt es bislang nur aus kleineren Studien.

Prof. Dr. Patrick Ott von der Harvard Medical School, Boston, und seine Kolleg:innen haben eine Impfung mit langen Peptiden bei Hochrisiko-Melanomen untersucht. Sie zielt auf bis zu 20 Neoantigene. Dabei fanden die Forschenden ex vivo u.a. eine deutliche CD4-Antwort und ein breiteres T-Zell-Repertoire. Die ersten acht Patient:innen, die die Vakzine erhalten haben, seien vier Jahre später noch am Leben gewesen.

Bei metastasierten Tumoren habe die Impfung in Kombination mit einem PD1-Inhibitor ermutigende Ansprechraten erzielt, sagte Prof. Ott. Bei der Mehrheit der Teilnehmenden seien die T-Zellen selbst gegen Antigene aktiv geworden, die nicht in der Vakzine enthalten waren – was das Progressionsrisiko um 77 % senkte. Insgesamt führte die Impfung nach Auskunft des Onkologen bei neun Personen, die auf eine PD-1-Blockade zunächst nicht vollständig angesprochen hatten, doch noch zum Erfolg. Dies spiegelte sich auch in einem besseren progressionsfreien Überleben wider – mit einer Risikoreduktion um 86 %.

Quellen:
Ott PA. ESMO 2022; Special Symposium „Progress in the identification of new immune targets“; Vortrag:  Vaccines

Dass CD25-Antikörper keine zufriedenstellende Tumorkontrolle bringen, kann ebenfalls an einem Effekt auf bestimmte Zytokine liegen. Denn die Antikörper eliminieren, wie Prof. Dr. Sergio Quezada vom University of London Cancer Center erklärte, nicht nur wie gewünscht die regulatorischen T-Zellen (Treg).3 Sie blockieren auch die Interaktion zwischen IL-2 und seinem Rezeptor – und damit die effektorischen T-Zellen. Modifiziere man den Antikörper so, dass dies nicht geschehe, führe das im Mausmodell zu einem kompletten Ansprechen. Und auch in einer Humanstudie bestätigt sich die starke Immunantwort bislang offenbar.

Wie Prof. Quezada weiter ausführte, funktioniert das Prinzip tier­experimentell auch bei Glioblastomen recht gut, in Kombination mit EGFRvIII-Antikörpern sogar mit 100 % Überleben. „Ich erwarte nicht, dass man das auch in der Klinik sieht“, lautete seine Einschätzung. „Aber es deutet darauf hin, dass die Treg-Depletion im Mikroumfeld des Tumors die Tür öffnen kann für Kombitherapien.“ 

Quellen:
1. Sharma P. ESMO 2022; Special Symposium „Progress in the identification of new immune targets“; Vortrag: Novel immune checkpoints
2. Kobold S. ESMO 2022; Special Symposium „Progress in the identification of new immune targets“; Vortrag: Cytokines
3. Quezada SA. ESMO 2022; Special Symposium „Progress in the identification of new immune targets“; Vortrag: Targeting regulatory T cells