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Nicht-degenerative Ischialgien erfordern diagnostischen Spürsinn

Autor: Dr. Barbara Kreutzkamp

Häufig liegt den Beschwerden ein Piriformis-Syndrom zugrunde. Häufig liegt den Beschwerden ein Piriformis-Syndrom zugrunde. © nathan – stock.adobe.com
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Rückenschmerzen, die ins Bein ausstrahlen, gehen meist auf degenerative Veränderungen zurück. Manchmal stecken aber andere Ursachen hinter einer Ischialgie. Sie können sich über den gesamten Verlauf des Nervs erstrecken und sind daher mitunter schwer aufzuspüren.

Ursachen für eine Ischialgie mit neuropathischen Schmerzen und ggf. Funktionseinschränkungen im Ausbreitungsgebiet des N. ischiadicus sind in der Regel ein Bandscheibenvorfall oder eine degenerative Wirbelsäulenläsion. Lässt sich in der Bildgebung kein eindeutiger degenerativer Auslöser der Nervenreizung feststellen, handelt es sich vermutlich um eine nicht-degenerative Ischialgie, schreiben Fleur­ Baumann­ Benvenuti­ und Professor Dr. Federico­ Balagué­ von der Klinik für Rheumatologie in Fribourg. Bei diesen Patienten finden sich anderweitig nicht erklärbare, auf nicht-degenerativen Vorgängen beruhende Läsionen, die sich auf den Plexus lumbosacralis bzw. den N. ischiadicus auswirken.

Die Liste der infrage kommenden Ätiologien ist dabei ebenso lang wie der Ischiasnerv, erklären die Rheumatologen. Bevor aber überhastet eine Schrotschussdiagnostik im gesamten Versorgungsgebiet veranlasst wird, ist es sinnvoller, zunächst Lokalisation und mögliche Ätiologie der Läsion einzugrenzen. Hierfür liefert meist schon das klinische Bild gute Hinweise.

So führt eine Kompression des Plexus lumbosacralis zu einem eher polyradikulären Erscheinungsbild. Ist dagegen der Nervus ischiadicus vorwiegend am dis­talen Ende betroffen, zum Beispiel bei Kompression durch eine Baker-Zyste, sind meist keine Lumbalgien zu erwarten, sondern es dominiert eine peripher lokalisierte Ischi­algie.

Mithilfe der Elektroneuro­myographie (ENMG) lässt sich der Ort der Läsion noch präziser bestimmen. Zusätzlich kann mit Magnetresonanz-Neurographie-Protokollen nach Auslösern wie Schwellungen bzw. Ödemen des N. ischiadicus sowie fettigen Infiltrationen oder Atrophien der Muskulatur infolge der Denervation gefahndet werden.

Immer auch an gynäkologische Ursachen denken

Eine der häufigsten klinischen Manifestationen der nicht-degenerativen Ischialgie ist das Piriformis-Syndrom. Klinisch imponieren hier neben den klassischen Symptomen einer degenerativen Ischialgie zusätzlich Schmerzen

  • im Gesäß mit Verschlimmerung im Sitzen,
  • bei der Palpation der Incisura ischiadica­ major sowie
  • bei Anspannung des M. piriformis.

Die Diagnose Piriformis-Syndrom wird rein klinisch gestellt, apparative Untersuchungen dienen lediglich dem Ausschluss anderer Ursachen wie Radikulopathie, Facettensyndrom, Hüftgelenkserkrankungen sowie Tendinopathien der Gesäßsehnen. Therapiert wird primär medikamentös und physiotherapeutisch. Gegebenenfalls kann auch die Injektion von Anästhetika, Kortikoiden oder Botulinumtoxin direkt in den M. piriformis für Linderung sorgen, erklären die Autoren.

Bei Frauen sollte man immer auch an gynäkologische Ursachen denken. Eher zyklisch auftretende Ischiasbeschwerden kommen z.B. bei ektopischer Endometriose, Ovarialzysten und großen Uterusmyomen vor, bei Frauen nach Entbindung kann das Beckenvenensyndrom die Beschwerden auslösen. Die weitere Abklärung erfolgt bei Letzterem per Becken-Bildgebung, wobei der transvaginale Ultraschall und die Phlebographie eine deutlich höhere Sensitivität als CT oder MRT aufweisen.

Mechanischer Druck durch Tumoren oder Zysten

Leichter zu diagnostizieren ist das ebenfalls bei Schwangeren gar nicht so seltene Wurzelkompressionssyndrom, hervorgerufen durch den Druck des Fötuskopfes auf den N. ischiadicus beim Einstellen ins Becken. Darüber hinaus existiert eine große Zahl weiterer Ursachen, nach denen bei fehlendem radioklinischem Korrelat gesucht werden muss. Infrage kommen gutartige in- und extrinsische Tumoren wie Schwannome, Lipome oder die bereits erwähnte Baker-Zyste sowie Malignitäten bzw. Metastasen im angrenzenden Gebiet.

Gab es eine Beckenfraktur oder eine Gürtelrose?

Darüber hinaus können die Ischias­symptome auch nach Traumata beispielsweise im Rahmen von Beckenfrakturen auftreten. Iatrogen hervorgerufene Verletzungen im Bereich des Plexus lumbosacralis bzw. N. ischiadicus durch lokale oder regionale Infiltrationen im Gesäßbereich sind dagegen heute eher rar. Bei den infektiösen Ätiologien kommt am ehesten ein Psoasabszess infrage, beschrieben sind ischialgieforme Beschwerden aber auch bei Lyme-Borreliose und Herpes zoster.

Quelle: Baumann Benvenuti F, Balagué F et al. Swiss Med Forum 2019; 19: 642-645; DOI: doi.org/10.4414/smf.2019.08384