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diatec-Fortbildungsveranstaltung Nicht jede glykämische Verbesserung erzielt zwingend höhere Lebensqualität

Autor: Antje Thiel

Steigt mit moderner Diabetestechnologie die Lebensqualität? Nicht unbedingt. Steigt mit moderner Diabetestechnologie die Lebensqualität? Nicht unbedingt. © Nuthawut – stock.adobe.com
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Dass Diabetestechnologien die Therapie in etlichen Punkten verbessern können, ist unstrittig. Doch diese positiven Effekte korrelieren nur bedingt mit den von Patient*innen berichteten Endpunkten (PRO), ins­besondere in Bezug auf die Lebensqualität. Um diese zu messen, braucht es neue Methoden.

Mittlerweile nutzen zwischen 80 und 90 % der Menschen mit Typ-1-Diabetes ein CGM-System. Dies geht aus dem DPV-Register und auch aus Erhebungen wie dem D.U.T-Report hervor. „Wir sehen infolge dieser Nutzung kontinuierliche Verbesserungen beim HbA1c-Wert und der Zeit im Zielbereich (TIR)“, berichtete Dr. Dominic Ehrmann, Psychologe am Forschungsinstitut Dia­betes Akademie Mergentheim (FIDAM). Es wäre also naheliegend, aus einer effektiven Nutzung und entsprechend verbesserten Stoffwechsellage auch auf eine bessere Lebensqualität zu schließen. Und tatsächlich erwarten Menschen mit Diabetes, nachdem sie fünf Tage lang ein hybrides System zur automatisierten Insulindosierung (AID) nutzen, vor allem bessere Lebensqualität, psychische Entlastung und eine gefühlte „Pause vom Diabetes“.

Entlastung durch AID? Zweifel sind angebracht 

Ob einem ein solches AID-System tatsächlich die ersehnte Pause verschafft, bezweifelt Dr. Ehrmann allerdings mit Blick auf noch nicht publizierte Daten aus dem FIDAM-Befragungspanel dia·link: „Je komplexer die Diabetestechnologie, desto häufiger denken Menschen an ihren Diabetes. Diabetestechnologie schenkt also nicht unbedingt Zeit ‚ohne Diabetes‘ – es kann allerdings sein, dass man auf’s Display schaut und sich freut, dass alles gut läuft.“

Regelrecht ernüchternd hingegen sind die Ergebnisse der bisherigen CGM- und AID-Studien hinsichtlich PRO wie Diabetesbelastung oder Angst vor Hypoglykämien. Denn auch wenn die Belastung z.B. durch Hypoglykämien eigentlich sinken müsste, weil aufgrund der Nutzung von Diabetestechnologie schlicht weniger Unterzuckerungen auftreten, verzeichneten die Studien insgesamt keine signifikant niedrigere Belastung durch den Diabetes.„Das ist für uns als Psychologen frustrierend“, gab Dr. Ehrmann zu. Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen könnte sein, dass eine glykämische Verbesserung nicht zwingend psychosoziale Effekte erzielt: „Wer Hypo-Disstress erlebt, hat nicht unbedingt viele Hypos.“ Man könne also nicht davon ausgehen, dass Verbesserungen der klinischen Parameter in allen Subgruppen mit verringerten psychosozialen Belastungen einhergehen.

dia·link: Forschungs-Community für Diabetes

Auf dem von FIDAM ins Leben gerufenen Portal wird nach Meinungen, Bedürfnissen und Wünschen zu verschiedenen Aspekten des Diabetes gefragt. Mitmachen können Menschen mit Diabetes, Angehörige und Behandelnde. Weitere Informationen und Registrierung für das Panel auf: dialink-diabetes.de

Die bis dato unbefriedigenden Studienergebnisse könnten aber auch methodische Gründe haben, schließlich würden PRO in Studien in der Regel allenfalls als sekundäre Endpunkte erhoben. Der Psychologe forderte daher „eine richtig gepo­werte Studie mit PRO als primärer Endpunkt“. Gleichzeitig plädierte er für andere Erhebungsmethoden anstelle retrospektiver Fragebögen, um tägliche Effekte besser abbilden zu können.„Mit diesen Fragebögen lässt sich die Variabilität nur unzureichend abbilden – schließlich ist jeder Tag anders.“ Sein Vorschlag: „Nachzufragen, wie es dem Patienten in den letzten zwei Wochen ging, ist nicht kleinteilig genug. Besser sind möglicherweise Befragungen, bei denen man dreimal täglich eine Push-Nachricht auf’s Handy bekommt und kurz eine Frage beantworten soll.“