Anzeige

Plattfüße: Konservative Therapie lindert die Beschwerden in 88 % der Fälle

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Wer keinen Röntgenblick hat, dem hilft bei der Diagnose Pes planus der Dreiseitenblick: Betrachten Sie den Fuß von der Seite, von oben und von hinten. Wer keinen Röntgenblick hat, dem hilft bei der Diagnose Pes planus der Dreiseitenblick: Betrachten Sie den Fuß von der Seite, von oben und von hinten. © Joel bubble ben – stock.adobe.com
Anzeige

Wenn Fußschmerz den Spaziergang vergällt, ist medizinische Hilfe gefragt. Die Diagnose Plattfuß gelingt meist in wenigen Minuten – ganz ohne Hilfsmittel, aber mit Gefühl für Alarmzeichen. Übungen und Einlagen können die Beschwerden lindern. Mitunter muss der Patient aber zum Chirurgen geschickt werden.

Beim Plattfuß, medizinisch Senkfuß oder Pes planus genannt, der sich erst im Erwachsenenalter manifestiert, entwickelt sich der Befund meist einseitig. Es kommt zu einem Kollaps des medialen Längsgewölbes mit Valgus-Deformität und Abduktion des Vorfußes. Ausgelöst werden diese Veränderungen meist durch eine Schwäche der Tibialis-posterior-Sehne, schreiben Dr. Chris Y. K. Tang vom Queen Mary Hospital in Hongkong und Kollegen. Zu den Risikofaktoren zählen u.a. Adipositas, Diabetes, Traumata und Steroid-Injektionen.

Der Pes planus kann auch bei Erwachsenen eine Normvariante ohne Krankheitswert sein, erkennbar an den fehlenden Beschwerden. Als typische Symptome gelten Schmerzen im medialen Längsgewölbe und am Innenknöchel sowie eine progrediente Verflachung des Fußgewölbes. In fortgeschrittenen Fällen kann es durch die unphysiologische Belastung auch zu lateralen Fußschmerzen kommen (subfibulares Impinge­ment).

Gangunsicherheit und häufiges Umknicken als Hinweise

Gezielt fragen sollte man Betroffene, ob sie bereits ihre Gehstrecke eingeschränkt haben. Auch eine Gangunsicherheit und vermehrtes Umknicken können auf einen Senkfuß hinweisen. Bleibt dieser unbehandelt, kommt es eventuell zu einer Versteifung in der pathologischen Position.

Mit einem Dreiseitenblick lässt sich beim stehenden Patienten verifizieren, ob die Höhe des Längsgewölbes abgenommen hat (von lateral), der Vorderfuß abduziert ist (von oben) und eine Valgusstellung der Ferse vorliegt (von hinten). Bei einseitigem Befund dient der andere Fuß als Referenz. Außerdem sollte man nach einem Hallux valgus fahnden (häufiger Begleitbefund), die Schuhsohlen inspizieren (medial abgelaufen) und das Gangbild genauer ansehen (medial verstärkter Bodenkontakt). Bei der Palpation fällt eine Druckdolenz der distalen Tibialis-posterior-Sehne auf. Sie verläuft vom Os naviculare hinter dem Innenknöchel bis zur Wade.

Ob der Senkfuß noch beweglich ist, zeigen zwei einfache Tests: Bei einer passiven Dorsalflexion der Großzehe richtet sich das Längsgewölbe auf. Im Zehenstand bewegt sich die Ferse von der Valgus- in die Varus-Position. Patienten mit akuter bzw. fixierter Deformität benötigen eine fachärztliche Behandlung, ggf. auch eine Operation.

Zehenstand und Dorsalflexion kräftigen das Fußgewölbe

Die Stärke der Tibialis-posterior-Sehne kann mit einem Handgriff geprüft werden. Bei ungestörter Funktion lässt sich die Bewegung des hinteren Schienbeinmuskels nicht aufheben. Auch der einseitige Zehenstand auf dem betroffenen Bein ist problemlos möglich. Als weiterer möglicher Auslöser sollte zudem die Funktion der Achillessehne kontrolliert werden.

Mit Röntgenaufnahmen lassen sich Differenzialdiagnosen wie Stressfrakturen, Verletzung der Tarsometatarsalgelenke, Charcot-Fuß und Nekrose des Os naviculare ausschließen. Pathologische Veränderungen der Tibialis-posterior-Sehne zeigen sich im Ultraschall.

Klassische Kandidaten für eine hausärztliche Behandlung sind Patienten mit Schmerzen im Längs­gewölbe und langsam progredienter Verflachung der Fußsohle. Rund 88 % der Patienten mit symptomatischem Senkfuß lassen sich erfolgreich konservativ behandeln – mit einem häuslichen Trainingsprogramm und gegebenenfalls Einlagen für die Schuhe.

Gezieltes „Fußturnen“ zweimal täglich mit mehreren Wiederholungen soll die Tibialis-posterior-Sehne kräftigen und die Gelenkbeweglichkeit erhalten. Dazu eignen sich z.B. der beidbeinige Zehenstand oder eine aktive Dorsalflexion der Zehen zur Kräftigung des Fußgewölbes. Auch Übungen zur Inversion der Valgusstellung des Rückfußes sind geeignet. Patienten mit verspanntem M. gastrocnemius profitieren von einer Dehnung der Achilles-Sehne. Physiotherapie ist ebenfalls möglich.

Individuell angepasste Einlagen erhöhen das mediale Längsgewölbe und reduzieren so den Stress für die Tibialis-posterior-Sehne. Sie können Schmerz und Deformation reduzieren und eine Versteifung des Fußes verhindern.

Nach Trauma oder bei Diabetes nicht mit der OP zögern

Die Einlagen sollten so oft wie möglich und in gut sitzenden Schuhen getragen werden – auch zu Hause. In schweren Fällen kann eine Fußschiene, die das Sprunggelenk ruhigstellt, die Beschwerden verringern (Tragezeit vier bis sechs Wochen). NSAR und andere Analgetika lindern zwar den Schmerz, ändern aber nichts an dem mechanischen Problem. Nach drei Wochen sollte der Therapieerfolg kontrolliert werden.

Eine Überweisung zum Fußchir­urgen empfehlen die Autoren nicht nur bei rigiden Fußdeformitäten, sondern auch, wenn sich flexible Veränderungen unter einer sechsmonatigen konservativen Behandlung verschlechtern. Gleiches gilt bei ausgeprägten Gangstörungen – mit und ohne Versteifung sowie erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität. Besonders dringlich ist die Überweisung bei Patienten mit Trauma-Anamnese und Diabetikern, sie sollten innerhalb von zwei Wochen dem orthopädischen Chirurgen vorgestellt werden.

Quelle: Tang CYK et al. BMJ 2020; 368: m295; DOI: 10.1136/bmj.m295