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Dry Needling Pneumothorax durch Nadelstiche

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Beim Dry Needling wird mit 10 bis 65 mm tiefer eingestochen als bei der klassischen Akupunktur. (Agenturfoto) Beim Dry Needling wird mit 10 bis 65 mm tiefer eingestochen als bei der klassischen Akupunktur. (Agenturfoto) © sunlight19 - stock.adobe.com
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Viele Patienten setzen bei Muskelverspannungen auf Dry Needling. Doch auch dieses scheinbar harmlose Verfahren kann zu Komplika­tionen ­führen, wie der Fall einer jungen Frau belegt.

Beim Dry Needling sticht der Behandelnde eine feine Nadel (Durchmesser 0,2 bis 0,35 mm) in schmerzhafte myofasziale Triggerpunkte. Die Einstichtiefe beträgt je nach Indikation 10 bis 65 mm und ist damit deutlich tiefer als bei der klassischen Akupunktur. Dieses Vorgehen soll die Durchblutung verbessern, lokale Entzündungsreaktionen vermindern und so insgesamt Schmerzen lindern. Dass derartige alternative Medizin nicht unbedingt als Synonym für komplikationsfreie Verfahren steht, beschreiben Viviane ­Kunz und Kollegen vom Kantonsspital Olten.

Die Schweizer berichten über eine 23-jährige Frau, die sich einem Dry Needling im Bereich des rechten M. rhomboideus unterzogen hatte. Schon einige Stunden später waren erste Beschwerden aufgetreten. Zwei Tage später kam sie in die Notaufnahme und klagte über atem- und bewegungsabhängige Schmerzen im Bereich des rechten Thorax. Eigen- und Familienanamnese waren leer, die Frau rauchte nicht und hatte keine prädisponierenden Hobbys wie Tauchen.

Bis auf ein abgeschwächtes Atemgeräusch über der rechten Lunge gab es bei der körperlichen Untersuchung und im Labor keine Auffälligkeiten. Im Röntgen zeigte sich jedoch ein Pneumothorax an der rechten Lungenspitze mit einem Durchmesser von 1,6 cm. Da die Patientin sich ansonsten wohl fühlte, die Schmerzen schon abnahmen und die Sauerstoffsättigung bei Raumluft 100 % betrug, entschieden sich die Mediziner gegen eine Thoraxdrainage. Sie nahmen die Frau lediglich zur Beobachtung stationär auf.

Bei einer Röntgenkontrolle vier Stunden später hatte sich der Pneu nicht verändert, auch die Sättigung blieb stabil und die Schmerzen waren unter Analgetika weiter auf dem Rückzug. Einen Tag später konnte die Patientin in gutem Allgemeinzustand nach Hause entlassen werden.

Im Zusammenhang mit dem Dry Needling treten bei bis zu einem Drittel der Behandelten lokale Beschwerden wie Blutungen bzw. Hämatome und Schmerzen auf. Oft beginnen diese schon nach wenigen Minuten, manchmal aber auch erst einige Stunden nach dem Eingriff. Meist bilden sie sich spontan zurück, aber sie können – wie in dem geschilderten Fall – auch Anzeichen einer schwereren Komplikation (z.B. Pneumothorax) sein. 

Die Gefahr, die Pleura zu verletzen, ist besonders groß beim Nadeln des M. trapezius sowie im Bereich der paraspinalen Muskeln, der Skapula oder der Klavikula. Soll interkostal oder der M. serratus ­posterior behandelt werden, geschieht das am besten in Exspiration, da dann der Abstand zur Pleura größer ist. Zudem sollte die Nadellänge gemäß BMI und Geschlecht gewählt ­werden.

Über die mögliche Komplikation Pneumothorax und entsprechende Symptome (Dyspnoe, Tachypnoe, inspiratorische Schmerzen, trockener Husten, Zyanose) muss der Behandelnde seine Patienten vor (!) dem Dry Needling aufklären. Dazu gehört auch der Hinweis darauf, dass Betroffene im Ernstfall einen Arzt aufsuchen müssen.

Quelle: Kunz V et al. Swiss Med Forum 2023; 23: 1456-1458; DOI: 10.4414/smf.2023.1137128399