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Interview Prof. Dr. Andreas Dietz über die Behandlung von Oro- und Hypopharynxkarzinomen

Autor: Lara Sommer

Erstmals gibt es S3-Empfehlungen für Oro- und Hypopharynxkarzinome. Erstmals gibt es S3-Empfehlungen für Oro- und Hypopharynxkarzinome. © Elnur – stock.adobe.com
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Nach den Leitlinien für Mundhöhlen- und Kehlkopftumoren gibt es jetzt erstmals S3-Empfehlungen für Oro- und Hypopharynxkarzinome. Prof. Dr. Andreas Dietz vom Universitätsklinikum Leipzig erklärt, wie charakteristische Symptome der seltenen Entitäten aussehen, welche Grundprinzipien in der Therapie gelten und warum Erkrankte zertifizierte Zentren aufsuchen sollten.

Herr Prof. Dietz, warum ist es wichtig, dass Oro- und Hypopharynxkarzinome eine eigene S3-Leitlinie erhalten?

Prof. Dr. Andreas Dietz: Es existierten bereits Empfehlungen bezüglich Tumoren der Mundhöhle und des Larynx. Zusammen mit der neuen Leitlinie für Oro- und Hypopharynxkarzinome decken wir nun 80 % der Plattenepithelkarzinome des oberen Aerodigestivtraktes auf S3-Niveau ab. Ausgenommen davon sind Malignome des Nasopharynx.

Worauf führen Sie die steigende Inzidenz von Oropharynxkarzinomen zurück?

Prof. Dietz: Das hängt mit HPV-16-Viren zusammen. Diese sind mittlerweile auch in Europa auf dem Vormarsch und verursachen mit einer Latenz von circa 20 Jahren den Inzidenzanstieg. Das betrifft allerdings nur die Oropharynxkarzinome, aber weder den Hypopharynx noch den Larynx oder die Mundhöhle.

Bei welchen Symptomen sollten Ärzt:innen ein Hypo- oder Oropharynxkarzinom vermuten?

Prof. Dietz: Oropharynxkarzinome gehen am häufigsten von den Mandeln aus und diese können geschwollen sein, auch asymmetrisch oder einseitig. Außerdem treten eventuell Blutbeimengungen im Speichel oder ein Kloßgefühl beim Schlucken auf, Letzteres vor allem bei Hypopharynxtumoren. All diese Warnsignale sollte man ernst nehmen. Nach wie vor bleiben wir darauf angewiesen, dass Patient:innen gut in sich reinhören und so früh wie möglich kommen.

Wann raten Sie bei lokal begrenzten Malignomen zur Operation, und wann zur Radiotherapie?

Prof. Dietz: Bei kleinen Herden erzielen ein primär chirurgisches Vorgehen und eine Strahlentherapie vergleichbar gute Ergebnisse. Die Empfehlung in der Leitlinie lautet, in frühen Stadien über beide Möglichkeiten aufzuklären und Erkrankten die Wahl zu überlassen. Wenn wir operieren können, würden wir allerdings überwiegend zur Operation raten. Oft ist es aber so, dass die Patient:innen diese ablehnen.

Wer benötigt nach Resektion des Primarius zusätzlich eine adjuvante Therapie?

Prof. Dietz: Eine Adjuvanz sollte erfolgen, wenn der Tumor eine gewisse Größe überschreitet oder im Falle zu knapper Schnittränder beziehungsweise verbliebener Tumorreste keine Nachresektion möglich ist. Die Chemoradiotherapie benötigen Betroffene außerdem bei mehr als ein bis zwei Halslymphknotenmetastasen, besonders, wenn diese die Kapsel durchbrochen haben.

Wie gestaltet sich die Behandlung in fortgeschrittenen Stadien?

Prof. Dietz: Bei fortgeschrittenen Malignomen streben Ärzt:innen in der Regel ebenfalls eine R0-Resektion an, gefolgt von einer adjuvanten Therapie. Das trimodale Konzept aus Primäroperation und Radiochemotherapie erreicht in Registerstudien die besten Überlebensraten.

Welche Komplikationen und Langzeitfolgen belasten Betroffene besonders?

Prof. Dietz: Oftmals betreffen Komplikationen den Schluckakt, aber auch die Atmung. Patient:innen empfinden es als besonders schlimm, wenn das Schluckvermögen so sehr eingeschränkt ist, dass es ein entspanntes Essen verhindert. Es kann beispielsweise an Vernarbungen liegen, dass sich trotz bestmöglicher Rekonstruktion eine funktionelle Komplettrehabilitation als unmöglich erweist. Wir arbeiten aber sehr intensiv daran, diese Spättoxizitäten so klein wie möglich zu halten.

Was hilft, die Lebensqualität zu bewahren?

Prof. Dietz: Das Wichtigste ist, so früh wie möglich Ärzt:innen aufzusuchen, um den Tumor in einem frühen Stadium gut behandeln zu können und die Funktionalität möglichst wenig einzuschränken. Je weiter fortgeschritten das Malignom, desto mehr muss man mit Spätfolgen rechnen.

Welche Bedeutung kommt einer interdisziplinären Betreuung zu?

Prof. Dietz: In der Leitlinie empfehlen wir erstmals, Patient:innen mit diesen Erkrankungen in zertifizierten Kopf-Hals-Tumorzentren zu behandeln. Dabei spielt außer der Erfahrung eine Rolle, dass spezialisierte Zentren die notwendigen Fachdisziplinen vorhalten. Neben Hals-Nasen-Ohren-Chirurg:innen zählen dazu auch Onkolog:innen,  Strahlentherapeut:innen, Psychoonkolog:innen und eine mit diesen Entitäten vertraute Pathologie. Hinzu kommt obligat eine Phoniatrie, deren Mitarbeitende das Teilgebiet  der funktionellen Rehabilitation übernehmen.

Wirkt sich der HPV-Status schon auf die Behandlung von Oropharynxkarzinomen aus?

Prof. Dietz: Außerhalb klinischer Studien wirkt sich der HPV-Status noch nicht auf die Standardtherapie aus. Allerdings sieht die Prognose p16-positiver Erkrankter generell besser aus, unabhängig von der Behandlungsmodalität.

Interview: Lara Sommer

Prof. Dr. Andreas Dietz, 
Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Universitätsklinikum Leipzig Prof. Dr. Andreas Dietz, Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Universitätsklinikum Leipzig © zVg